Feedback zur Sendung? Hier geht's zur Umfrage!
Sendung zum Nachlesen
„Wer die Wahl hat, hat die Qual.“ So sagt es der Volksmund. Und damit hat er oft recht. Wer die Wahl hat, muss unterscheiden, abwägen, muss sich entscheiden. Das kostet Kraft und Nerven. Es ist gut nachzuvollziehen, dass viele Menschen diesen Kraftakt scheuen und es lieber sehen, dass irgendjemand ihnen diese Qual abnimmt und gleichsam von einer höheren Ebene aus Entscheidungen für sie trifft. Wenn das sich noch paart mit der Neigung, der Masse nachzulaufen und sich als Teil dieser Masse zu fühlen, ist der Weg frei für Autokraten. Sie nehmen den Menschen ab, was sie als Last empfinden. Doch damit nehmen sie ihnen das ab, was zum Menschsein unbedingt dazugehört: den Willen zur Selbstbestimmung, die Freiheit der Tat. Diese Freiheit gilt auch dann noch, wenn Menschen sich für das Böse entscheiden. In seinem verstörenden Roman „Clockwork orange“ schildert Anthony Burgess eine Gruppe junger Leute, die sich ein Vergnügen daraus machen, andere Menschen zu überfallen, zu berauben und zu quälen. Der Anführer Alex wird verraten. Was macht man mit so einem Übeltäter? Man muss ihn einsperren, ohne Frage. Aber es gibt im Roman noch eine andere, radikale Antwort: Man muss versuchen, ihn umzuerziehen, ihn so zu konditionieren, dass er zum Bösen keinen Zugang mehr hat, dass er es einfach nicht mehr tun kann. Alex stimmt dem Experiment zu. Aber der Gefängnispfarrer warnt ihn: „Wenn ein Mensch nicht wählen kann, hört er auf, Mensch zu sein“. Später bekommt Alex seine Freiheit zurück, und er spürt in sich die Sehnsucht nach einem ganz normalen Leben, das ihm allerdings verschlossen bleibt. Die Freiheit zu wählen ist ein zutiefst biblisches Anliegen. Schon in der Erzählung von Adam und Eva spiegelt sich der Auftrag an den Menschen, zwischen dem Gehorsam gegen Gott und der eigenen Gier nach Macht und Erkenntnis zu wählen. Dass er entscheiden kann, macht ihn zum Menschen. Ohne die Freiheit, zu wählen zwischen Gut und Böse, ist das Christentum in seiner Gesamtheit nicht zu verstehen. Man kann das Wirken Jesu dahin deuten, dass er die Entscheidung für das Göttliche freisetzt. Das ist natürlich umstritten. Viele Forscher stellen genau dies in Frage. Von einem freien Willen könne keine Rede sein. Der sei nur ein Konstrukt, das dem Menschen Freiheit vorgaukelt. Ich denke: Dadurch wird der Mensch degradiert von einem freien Wesen hin zu einem intelligenten Tier. Das beraubt ihn seiner Würde. Zu der gehört es, sein Ohr und sein Herz öffnen zu können für die Botschaften Gottes.
Es gilt das gesprochene Wort.