Wort zum Tage
Gemeinfrei via Unsplash/ Angiola Harry
Alexandra
von Ulrike Greim
Autor
08.03.2023 05:20
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„Ich muss absagen, ich falle erst einmal aus“, sagt Alexandra am Telefon. Sie hat Brustkrebs. Nun ist es amtlich. „Ich melde mich, wenn ich wieder Land sehe“, sagt sie. Es komme die ganze Prozedur. Mindestens ein halbes Jahr, hat die Ärztin gesagt. Aber man werde sehen. Das dauere jetzt.

Patientia heißt Geduld. Die braucht sie jetzt. Tütenweise. Gleich als Familienpackung am besten. Und Biss für alle Ämter und Kassen, dass sie bekommt, was ihr zusteht, und dass sie finanziell nicht zu tief fällt, so als Selbständige.

Jede achte Frau. Was für ein Wahnsinn! Der Krebs wuchert sich durch Frauenleben und Familien. Und reißt Wunden. Und fordert heraus.

Schutz und Segen für dich, Alexandra!

Ich würde gerne um dich herum einen Gummiball aufblasen, an dem alles abprallt, was jetzt kommt. Sie können dir deine Unversehrtheit nehmen, deine Würde bekommen sie nicht.

Trage deine Narben dann tapfer.

Die Fotografin Charise Isis zeigt Frauen nach den Operationen. Frauen, die die Herausforderungen angenommen haben. Selbstbewusst schauen sie in die Kamera. Tätowiert, ihre OP-Narben als Teil des Kunstwerkes. Oder erhobenen Hauptes verletzt.

Schöne Frauen, stark und sinnlich.

Irritierend, weil wir auf Hochglanzfotos andere Körper gewohnt sind. Wie glatt, wie eng, wie eindimensional!

The Grace Project, so hat die Fotografin ihre Körperbilder der anderen Art genannt.

Grace. Anmut.

Wie kommt man durch eine so eine Zeit?

Durch die Passions-Zeit?

Umzingelt von Maschinen, in grellen Neonsälen, an Schläuchen hängend, durch die Chemikalien fließen?

„Gewaltige Stiere haben mich umgeben, mächtige Büffel haben mich umringt.“ So heißt es in einem Leidenspsalm, der in der Passionszeit in Kirchen gelesen wird, Psalm 22. „Ihren Rachen sperren sie gegen mich auf wie ein brüllender und reißender Löwe. Ich bin ausgeschüttet wie Wasser,“ betet da jemand, „mein Herz ist in meinem Leibe wie zerschmolzenes Wachs. Sie haben meine Hände und Füße durchgraben.“

Und dann der tiefe Seufzer zu Gott:

„Du aber, Lebendiger, sei nicht fern!
Mein Starker, komm zu meiner Hilfe, schnell!“

Diese Wendung. Das große „Aber“. Warten auf den Lebendigen.

Die Augen über dem Horizont.

Schutz und Segen für alle, die gerade viel Zeit in Onkologien zubringen.

Und Dir, Alexandra.

Der Lebendige möge dir zur Hilfe eilen.

Grace be with you.

 

Es gilt das gesprochene Wort.