Autosamstag
Morgenandacht von Pfarrer Thomas Dörken-Kucharz
29.04.2023 06:35

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Der Samstag, mindestens der Samstagnachmittag, gehörte in meiner Kindheit und Jugend dem Auto und seiner Pflege. Die Männer - in meiner Erinnerung fast ausschließlich die Väter und junge Männer - wuschen, pflegten und polierten. Kleinere und größere Reparaturen wurden erledigt. Natürlich lief dabei das Radio mit der Fußballkonferenz. Autos brauchen Pflege wie alle Maschinen, und damals brauchten sie tatsächlich mehr als heute, aber die Zuwendung ging weit über das notwendige Maß hinaus.

Diese Verehrung des Automobils bringt eine ganzseitige Zeitungsanzeige der Firma Citroën aus den 80er Jahren auf den Punkt. Die Überschrift der Anzeige ist ein Satz des französischen Philosophen Roland Barthes: "Ich glaube, dass das Auto heute das genaue Äquivalent der großen gotischen Kathedralen ist."

Schon das eine steile Aussage: Das Auto als gotische Kathedrale. Die Anzeige setzt das in eine bildliche Beschreibung um. Sie zeigt das Modell "2CV", also eine "Ente, als Kathedrale: Diese habe einen "aufrollbaren Himmel", und "weihrauchähnliche Abgase". Die Ente sei "genügsam wie eine Kirchenmaus" und biete Platz "für einen mittleren Kirchenchor". Ihre Scheinwerfer werden als "ewiges Licht" gepriesen und unter der Motorhaube sei "die Kraft und die Herrlichkeit" zu finden. Und die ganze "Kathedrale" sei zu einem "Preis der Nächstenliebe" erhältlich, nämlich für 9150 DM.

So konnte Citroen selbstironisch in den achtziger Jahren mit einer Glückseligkeit durch das Automobil werben. Und das spiegelt meine Kindheit und Jugend, in der das Auto vor allem für Freiheit und Lebensfreude stand, und in der es ein entscheidendes Statussymbol war - wenn auch nicht unbedingt die ‚Ente‘. Das Auto barg aber auf jeden Fall ein Fortschritts- und Glücksversprechen. Selbst war ich sehr stolz auf mein erstes Auto und fahre eigentlich bis heute gern und auch weit. Ein Auto war damals für alle, die ich kannte, ein unbedingt erstrebenswertes Gut. Wenn es beim Auto Probleme gab, dann waren sie technischer Natur und bezogen sich auf ein bestimmtes Modell. Und spätestens mit dem Nachfolgemodell würden die Probleme behoben sein.

Auch heute vergeht keine Woche, in der es nicht ums Auto geht. Es ist nach wie vor ein riesiger Wirtschaftsfaktor und entsprechend groß ist das Streitpotential. Ob Tempolimit oder Abgaswerte, Benzinpreise, Autobahnausbau oder Fahrverbote. Aber die heutigen Themen sind Negativthemen. Immer geht es darum, die großen Probleme, die erst durch das Auto entstanden sind, in den Griff zu bekommen.

Selbstfahrende Autos und Elektromobilität werden vielleicht manche der Probleme lindern, aber sicher auch neue hervorbringen. Ein mit dem Auto verbundenes Glücksversprechen klingt nicht mehr glaubhaft. Es geht vor allem darum Schlimmeres zu verhindern, Klimaschäden und Verkehrsbelastung in den Griff zu bekommen.

Wurde die Automobilität früher als ein Segen wahrgenommen, ist sie heute eher ein Fluch und führt zu viel Frust, Ärger und Problemen. Und die Mobilität hat ja auch tiefe Veränderungen herbeigeführt. Inzwischen sind viele auf das Auto angewiesen und zur Mobilität verdammt, wenn sie ihren Arbeitsplatz behalten oder ihre Familie sehen wollen. Wie sehr, dass zeigen gerade Unterbrechungen im Fluss der Automobilität. Nicht die Staus, an die hat man sich gewöhnt. Aber wenn Klimaschützer Autobahnen blockierten, sind die Klimaschützer die Bösen und werden verteufelt. Auch mir gehen deren Aktionen manchmal zu weit. Aber das eigentliche Problem sind nicht die Klimaaktivisten, sondern der Mobilitätswahn und Mobilitätszwang. Allzu leicht werden Menschen verdammt, die uns drastisch vor Augen führen, was wir ständig verdrängen. Und was gelöst werden muss, damit unsere Kinder und die Welt eine Zukunft haben.

Jesus hat dieses Verhalten früh entlarvt: "Was siehst Du den Splitter im Auge Deines Bruders, aber den Balken im eigenen Auge siehst Du nicht!"

Das steht in der Bergpredigt und gilt mir, dem Autofahrer und Balkenträger.

Es gilt das gesprochene Wort.

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