In der DDR kannten ihn viele. Unser Autor Jan von Lingen im Westen hat ihn erst spät entdeckt, den Liedermacher Gerhard Gundi Gundermann. Ein Atheist, in dessen Liedern trotzdem Gott vorkommt.
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Er pendle zwischen zwei Welten, so schrieb der ostdeutsche Liedermacher Gundermann einmal nachdenklich:
"auf der einen hab ich den bagger ein dach
und eine sonne die sich zwischen schloten hindurchsägt
auf der anderen find ich bücher schreibmaschine und gitarre (…)
die lieder sollen seile sein zwischen beiden
und sie zueinander ziehen…"
Gundermann. Gerhard oder "Gundi" Gundermann, war von Beruf Baggerführer im Tagebau und aus Leidenschaft Liedermacher auf vielen Bühnen. Der Fernsehfilm "Gundermann" zeigt ihn auf einem mächtigen Schaufelbagger im Braunkohlerevier Lausitz, dann im Konzertsaal mit Pferdeschwanz und Gitarre. Seine Songs über Alltagsgeschichten erzählen von Umwelt und Arbeitslosigkeit. Sie berühren viele Menschen im Osten. Denn, so sagt er: "Musik ist ein Bohrer, damit kannst du Löcher bohren in Herzen." Er starb 1998, sehr früh, mit 43 Jahren durch einen Schlaganfall.
Im Westen blieb er nahezu unbekannt. Ich habe ihn erst spät entdeckt und erfahre nach und nach seine Geschichte: Er war Urgestein in der ehemaligen DDR. "Gundi" und seine Freunde – der ehemalige "Singeklub Hoyerswerda", später umbenannt zur "Brigade Feuerstein" – leben in Hoyerswerda, einer Stadt, in der es mehrere Schlägereien in der Woche gibt. Sie wollen etwas ändern. Sie wollen Kultur nach Hoyerswerda in der Oberlausitz bringen.
Und sie legen einfach los. Sie lernen Theater, Pantomime, Stepptanz, proben mehrfach die Woche und spielen irgendwann draußen vor zahlreichen Kindern. Seine Lieder verstand Gundermann als "Lebensmittel". In Worte und Töne fassen, hinhören, hinschauen, auf den Punkt bringen, politisch aktivieren – das war ihm wichtig. Ein wertvolles spätes Erbe des Liedermachers, der sagt, auf seinem Planeten "stünde ein Tisch, woran alle miteinander sitzen und reden können".
An der Stirnseite jenes Tisches: Gundermann mit gestreiftem Fleischerhemd, Hornbrille und Hosenträger, irgendwie eine Kunstfigur. Einer, der eigentlich nicht gern sitzt, ein Getriebener. Er war ein Mann mit Ecken und Kanten, wird erzählt. Er war Mitglied der SED und wurde später "wegen unerwünschter eigener Meinung" aus der Partei ausgeschlossen.
Er, der selbst von anderen bespitzelt wurde, hat sich als inoffizieller Mitarbeiter der Stasi anwerben lassen - ein wunder Punkt in seiner Biographie, zu dem er sagt: "Ich werde nicht um Verzeihung bitten. Aber mir selbst kann ich nicht verzeihen." Als schonungslos, rabiat, spröde werden seine Lieder, wird er selbst beschrieben von manchen, die ihn erlebt haben.
Brüche beschreiben sein Leben. Es ist seltsam, vielleicht auch folgerichtig, dass sich im Werk des Künstlers, der durch und durch Atheist war, religiöse Suchbewegungen finden. Gundermann kommt ohne das Wort "Gott" nicht aus. So wie die Psalmsänger der Bibel Lob und Klage ausdrücken, so findet der Liedermacher aus Hoyerswerda Worte für die schönen und die traurigen Aspekte des Lebens:
"hier drehe ich meine kreise wie ein fest verankertes schiff
hier führt mich meine reise nicht weit aber tief.
hier bin ich geborn so wie ins wasser fiel der stein
hier hat mein gott mich verlorn und hier holt er mich wieder ein"
Gundermann hat da in der Tiefe etwas gesehen, das er nicht näher beschreiben kann: Gott taucht bei ihm in nur einigen wenigen Texten auf, aber immer dann, wenn es um seine Lebensgeschichte geht – als wäre Gott ein zentraler Punkt, um die irdischen Verhältnisse irgendwie festzumachen. Ich höre Gundermann zu und finde ein Stück von mir selbst in ihm wieder:
"ich mache meinen frieden mit dir du grosser gott
ich nehme was du mir bieten kannst, leben oder tod
so fülle meinen becher ich trink ihn bis zur neige
nun gib mir schon mein kreuz oder eine geige"
Es gilt das gesprochene Wort.
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