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Zusammen leuchten
Das jüdische Lichterfest Chanukka und das christliche Weihnachten sind dieses Jahr zeitgleich.
28.12.2024 06:20

Licht in die Dunkelheiten der Welt bringen. Das verbindet das jüdische Chanukka-Fest und das christliche Weihnachten. 

 

Sendung nachlesen:

Lea hat mir eine Trost-Kerze gebastelt. Eine weiße Stumpenkerze mit einem großen, goldenen Kreis drauf. Ein Brief ist mit dabei: Zünd die Kerze an, wenn du mal traurig bist und Trost brauchst, lese ich. Und bin voller Dank.
Das ist nun ein paar Jahre her. Die Kerze steht auf der Fensterbank hinter meinem Schreibtisch. Ich schaue sie jeden Tag an. Ich freue mich, dass sie da steht. Sie erinnert mich an früher und an Gutes. 
"Ich habe viel Trost gebraucht"
Das Verrückte ist: Ich habe sie bis zum heutigen Tag nicht angezündet. Ich kann nicht sagen, warum. Grund hatte ich genug dafür. Ich habe viel Trost gebraucht. Trotzdem habe ich mir das Anzünden immer aufgespart. 
Am Schreibtisch sitzen und auf diese Kerze schauen – allein das tröstet mich. Als ob die Kerze verspricht: Licht ist jederzeit möglich. Hier bei dir. Und Streichhölzer liegen auch griffbereit. Trotzdem zünde ich immer andere Kerzen an.
Es tut gut, wenn in den dunklen Nächten Kerzen brennen. 
Chanukka und Weihnachten
Vor drei Tagen hat das jüdische Chanukka-Fest begonnen. Es dauert eine Woche und ist ein bisschen wie Weihnachten auch ein Familienfest mit besonderem Essen und Geschenken. Ich freue mich immer, wenn Chanukka und Weihnachten fast zeitgleich gefeiert werden. Zeitgleich bedeutet dann hoffentlich auch: zusammen. Diese Vorstellung tut mir gut. Wir können gar nicht genug sein, um Licht zu verbreiten, helle Gedanken gegen das Dunkle in der Welt. Am letzten Tag des Lichterfestes brennen alle acht Lichter am Chanukkaleuchter. 
Bella Chagall und ihre Kindheitserinnerungen
"Brennende Lichter" – so heißt die Sammlung der Kindheitserinnerungen von Bella Chagall, die Ehefrau des Malers Marc Chagall. Sie erzählt aus der Sicht des jungen Mädchens, wie sie in ihrer Familie die jüdischen Feste feiern. 
An Chanukka beobachtet sie die Flamme des ersten Lichtes. Alles beginnt mit nur einem einzelnen kleinen Licht. "Da wird einem bang ums Herz", schreibt Bella Chagall, "als sei das Lichtchen – Gott behüte – eine Trauerkerze. Die Flamme ist so schwach, dass man sie mit einem Hauch auslöschen könnte. Ihr Schein reicht nicht hinunter zum dunklen Boden…" 
Sich die Finger verbrennen an der Hoffnung
Bella Chagall erzählt weiter: "Ich nähere mich dem Licht, möchte den Docht hochziehen, in der Hoffnung, die Flamme werde dann heller brennen, aber er lässt sich nicht fassen. Ich verbrenne mir nur die Finger." (1)
Und ich heute, ich hoffe: Das Licht reicht – bis hinunter auf den dunklen Boden der Tatsachen. Das Licht breitet sich aus. Am Chanukka-Leuchter. Und in der Welt. Das ist die Hoffnung, an der ich mir manchmal die Finger verbrenne. Aber sie soll leuchten zwischen den Jahren und ins neue Jahr hinein. 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Literatur zur Sendung: 

(1)   Bella Chagall, Brennende Lichter, Rowohlt Verlag, Hamburg 1966, S. 106-107.

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