Sendung zum Nachlesen
Bürgerrechte sind ein großes Thema. Wer gehört dazu? Wer darf in einem Land arbeiten, leben, lieben, heiraten? Wer ist legal, wer ist illegal? Wer verhält sich sozial, wer asozial? Und woran macht man das fest? Wer hat welche Rechte – und sind die gerecht? Das sind Fragen, die die Gemüter bewegen. Und dass diese Fragen uns Europäer tief in unserem Selbstverständnis betreffen, das merkt eine Gesellschaft daran, wie hitzig solche Diskussionen geführt werden, wie schnell polemisiert wird und wie sehr jeder einzelne dabei in den Verteidigungsmodus gerät. Identität und Zugehörigkeit – das trifft den Kern des Menschseins.
Aber was schützt vor Polemisierung? Was wappnet gegen Manipulation und Angstmacherei? Welche Kriterien definieren, wer dazu gehört und wer nicht?
Diese Frage ist nicht neu. Auch die ersten christlichen Gemeinden in Europa hatten vor 2000 Jahren schon damit zu kämpfen. Wer ist hier ein richtiger Christ und wer nicht? Braucht man ein äußerliches Merkmal, um zugelassen zu werden? Oder muss man moralisch besonders vorbildlich leben? Wem ist man mehr verpflichtet – dem Staat oder der Religion? Und wie verhält man sich denen gegenüber, die man als nicht zugehörig erachtet?
Der biblische Apostel Paulus versteht seine Gemeinden. Er hat ja selbst einen Identitätskonflikt: Er ist ein Jude, der griechisch spricht und das römische Bürgerrecht hat.
Deshalb hat er einen Tipp für seine Gemeinden:
"Verhaltet euch einfach so, als wärt ihr Bürgerinnen und Bürger im Himmel, in Gottes Reich. Denn das ist es, was ihr in erster Linie seid.", schreibt er an die Gemeinde in Philippi. (Phil 3)
Als römischer Bürger wusste Paulus um den Wert des Bürgerrechts. Aber er wusste auch, dass das Bürgerrecht immer nur so viel wert ist wie die Regierung, die das Staatswesen verwaltet. Und da war zu seiner Zeit nicht viel zu erwarten. Cäsar hatte die Demokratie an die Wand gefahren, seither herrschten die Cäsaren, die römischen Kaiser, als quasi absolute Herrscher. Natürlich galt immer noch das römische Recht – aber im Zweifelsfall siegten eben doch oft die Interessen der Reichen und Mächtigen. Korruption und Amtsmissbrauch waren an der Tagesordnung. Dennoch war der Status "Bürger Roms" ein zuverlässiger Schutz.
Was ist anders, wenn Menschen Bürger im Himmel sind? Wo der Herrscher kein machtverliebter Potentat ist, sondern der Heiland? Dann gibt es keine Ungerechtigkeit, keine Korruption und keinen Amtsmissbrauch mehr. Dann schadet niemand anderen dadurch, dass er nur auf den eigenen Vorteil schaut. Denn Bürgerinnen und Bürger im Himmel wissen ja: Gott selbst sorgt für sie und sie brauchen deshalb vor nichts und niemandem Angst zu haben.
Bei allen berechtigten Fragen, wer wo dazugehören darf und wer nicht, ist es tröstlich und hilfreich, wenn ich mir sagen kann: Zuallererst bin ich Bürgerin im Himmel. Bürgerin in Gottes Reich. Aus diesem Bürgerrecht beziehe ich mein Selbstbewusstsein und mein Daseinsrecht. Und dieses Bürgerrecht kann mir niemand nehmen. Es garantiert meine Rechte und beschreibt meine Pflichten.
Wenn ich mir das bewusst mache, fällt es mir leichter, nicht nur an mich selbst zu denken. Dann ist es mir nicht egal, wie es den anderen geht, und was mein Handeln für Folgen hat. Und auch, wen ich als Mitbürgerin und Mitbürger betrachte, wird dann viel klarer: Alle, die es wollen, gehören dazu. Denn Jesus bietet seine Bürgerrechte allen an. Jede und jeder, der zugreifen möchte, ist dazu eingeladen.
Und ich glaube nicht, dass Jesus viele Ausschlusskriterien hat. Ich glaube, wie barmherzig und großzügig Gott tatsächlich ist, das kann sich sogar Paulus kaum vorstellen. Nur weil man aus einer anderen Ethnie kommt, eine andere Sprache spricht, weil man homo- oder heterosexuell ist, wird niemand ausgeschlossen. Man muss sich schon selbst ausschließen. Denn wer nicht dazugehören will, wird auch nicht gezwungen.
Es gilt das gesprochene Wort.