Morgenandacht
Auserwählt
20.02.2020 06:35
Sendung zum Nachlesen

Wer mich kennt, weiß, dass ich mich nicht gerade über meine Sportlichkeit definiere. Das war schon immer so. Der Sportunterricht in der Schule war der Ort meiner Niederlagen. Besonders alle Arten von Mannschaftssport waren mir ein Graus.

Das lief dann nämlich so ab: Die Sportlehrerin bestimmte ihre Lieblingsschüler zum Aufstellen der Mannschaft, und die durften sich dann, immer der Reihe nach, die Mitschüler aussuchen. Und die fingen natürlich mit den Besten an. Wer zum Schluss noch dastand, konnte sich im Grunde nur schämen. Oder aber sich im Stillen sagen, dass Sportlichkeit ja nun nicht zwangsläufig etwas mit Intelligenz zu tun hat...

 

Warum erzähle ich das? Weil das ein Thema ist, das in der Bibel häufig vorkommt und mit dem ich ein bisschen mein Problem habe: Die besondere Erwählung, das Auserwählt-Sein. Im 1. Petrusbrief zum Beispiel heißt es: "Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, ein heiliges Volk." Das klingt erstmal großartig. Ich fühle mich geehrt. Da traut mir jemand etwas zu! Anscheinend kann ich etwas, was die anderen nicht können. Das macht mich stolz. Bei mir jedenfalls verfängt das immer. Wenn einer sagt: Mach du das, du kannst das am besten – dann bin ich schon verloren...

 

Wie faszinierend der Gedanke der "Auserwählung" ist, das zeigt auch die Literatur und der Film: James Bond, Superman, Frodo aus dem "Herrn der Ringe", "Nemo" aus Matrix und Harry Potter – alle sind sie "Auserwählte", von einem höheren Prinzip zu etwas Besonderem Bestimmte. Und dafür sind sie bereit, ihr Leben einzusetzen.

Denn das Erwähltsein hat natürlich auch Schattenseiten. Es setzt mich unter Druck. Ich will ja jetzt vorbildlich sein und keine Fehler machen. Und außerdem fordert es den Neid der anderen heraus. Es fordert Aggressionen heraus. Das Auserwählt-sein kann dazu führen, dass ich meine, um meinen Platz kämpfen zu müssen. Dass ich aggressiv werde, um ja diesen besonderen Status des Erwählt-Seins nicht mehr zu verlieren.

 

Und doch gibt es immer wieder von Gott "Auserwählte", die einen solchen Weg in vorbildlicher Bescheidenheit gehen. Allen voran Jesus selbst, aber auch andere Menschen von Franziskus bis Mutter Theresa – von all den kleinen Heldinnen und Helden des Alltags, die treu ihren Platz ausfüllen, ganz zu schweigen. Wieso können die das?

 

Eigentlich ist es ganz einfach. Wen Gott auserwählt, der wird dadurch ja nicht wertvoller. Wertvoll ist Gott jeder und jede Einzelne vorher schon!

 

Das ist der Dreh- und Angelpunkt der ganzen Geschichte. Die Psychologie weiß: Überheblichkeit und Unsicherheit sind Kehrseiten derselben Medaille. Egal, ob ich glaube, meine Meinung auf Biegen oder Brechen durchsetzen zu müssen, oder ob ich plötzlich an meinen Fähigkeiten zweifle, die Ursache ist die gleiche: Es ist die Angst. Nicht die Angst vor einer realen Bedrohung. Sondern die Angst, nichts wert, nicht gesehen, nicht geliebt – kurz, gar nichts zu sein.

 

Und genau aus dieser Angst will Jesus befreien. Er sagt: Ihr seid alle auserwählt! Ihr seid Gott wertvoll. Deshalb braucht ihr keine Angst mehr zu haben.

 

Aber wer hat schon überhaupt keine Angst? Angst zu haben, das ist normal, es gehört zum Menschsein. Es geht nicht darum, überhaupt niemals Angst zu haben. Es geht darum, im Vertrauen auf Gott diese Angst zu überwinden. Das ist kein einmaliger Prozess, ein solches Vertrauen ist eine Lebenshaltung. Eine, von der ich denke, dass sie sich lohnt.

 

Deshalb: Wenn ich zwischen dem Wunsch, besser als die anderen zu sein, und der Angst vor dem Versagen schwanke, dann sage ich mir: Alles Quatsch. Du bist von Gott geliebt. Wie jeder andere Mensch auch. Gott vertraut dir! Da brauchst du keine Angst zu haben. Und du brauchst auch nicht besser zu sein als die Anderen. Wenn Gott etwas von Dir will, hilft er Dir auch dabei.

 

Es gilt das gesprochene Wort.