Frieden wirkt derzeit weit weg. Umso wichtiger sind Orte, an denen Gegner von früher miteinander feiern.
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An diesem Tag ist alles anders. Sommer. Es war vor zehn Jahren, 2014. Ein heißer Sommer. Und heiß sind auch die Kämpfe in der Ost-Ukraine und auf der Krim. Ich bin noch ganz gefangen von einer politischen Diskussion zwischen Russen und Deutschen in Berlin ein paar Tage zuvor. Was für eine frostige Atmosphäre da herrschte: Vorwürfe gegeneinander, große Enttäuschungen waren spürbar. Wo ist sie geblieben, denke ich: die große Vision vom gemeinsamen Haus Europa, wo Menschen in Ost und West einander in Frieden begegnen.
Von Berlin bin ich damals 2014 nach Oberbayern gefahren. Ein praktischer Arzt aus Denkendorf hat mich in seinen Heimatort eingeladen. Seit vielen Jahren setzt er sich für gute Beziehungen zwischen Deutschen und Russen ein. Mit seiner Begeisterung für die Aussöhnung hat Christian Holz viele Menschen aus seinem Ort angesteckt. Mitten im Kalten Krieg, 1980, reist er mit Bürgermeister und Pfarrer und einer Blaskapelle nach Moskau. Auf dem Roten Platz geben sie ein Konzert und schenken Freibier aus. Bayerische Festzeltatmosphäre mitten in Moskau.
An diesem Tag im Sommer vor zehn Jahren in Denkendorf ist es ähnlich. Der halbe Ort scheint auf den Beinen: Blaskapelle, Freiwillige Feuerwehr, Veteranenverein, aber auch Politiker von Orts- und Kreisebene, aus Landtag und Bundestag sind gekommen. Und Gäste aus Russland. Viele sind von weither gereist: aus Moskau, aber auch aus Wolgograd, ehemals Stalingrad. Schüler und Lehrer, Politiker und Kriegsveteranen, die die Schrecken des Zweiten Weltkriegs noch erlebt haben, Wissenschaftler und Geistliche aller Konfessionen.
Alle sind gekommen, trotz der politischen Konfrontation – viele sogar gerade deswegen. Wir reden miteinander, erzählen uns Geschichten aus unserem Leben. Ja, je länger das Treffen dauert, desto mehr feiern und singen wir. Russische und deutsche Volkslieder.
Am Abend bin ich noch einmal alleine durch den Ort gegangen, erfüllt von den vielen Gesprächen, von den Gesten eines guten Miteinander. Auf dem zentralen Platz der Gemeinde sehe ich ein Denkmal. Ein bayerischer Junge reicht einem russischen Mädchen die Hand zum Tanz. Zwischen ihnen blühen Blumen. Ein Denkmal der Freundschaft und des Friedens.
Was für ein besonderer Ort, denke ich. Gerade, wenn einem auf der politischen Ebene der kalte Wind um die Nase weht, brauchen wir Orte voller menschlicher Wärme und Nähe. So etwas gibt es also wirklich: einen Ort voller Friedensstifter. Das brauchen wir. Besonders in diesen Zeiten.
Es gilt das gesprochene Wort.