Vielleicht wird es ja ein blaues Wochenende. Eines am Meer oder auf dem Balkon. Ein Wochenende ohne Stress. Ohne Ärger.
Vielleicht kommt lieber Besuch, der den Himmel ins Haus trägt, auch wenn es draußen verhangen sein sollte. Blau ist Sehnsuchtsfarbe, eine Farbe für Weite, für Himmel und Meer. Eine Farbe, die zur Ruhe bringen kann.
Vielleicht gibt es morgen ja einen Gottesdienst, bei dem ich im Raum, bei der Musik, der Predigt oder im Gesicht des Menschen neben mir etwas erhaschen kann, das mit Weite und Himmel zu tun hat. Das wünsche ich mir. Denn dafür sind Gottesdienste gedacht. Sie sollen dem manchmal eintönigen Alltag eine BLAUE Perspektive geben, ihn weiten. Sie sollen vom Himmel erzählen, der als Raum Gottes über mir, unter mir und neben mir sein kann.
In Berlin und in Mainz hatte ich schon besonderes Glück, was die Farbe Blau betrifft. Das Blau in der Kaiser Wilhelm Gedächtniskirche in Berlin und die blauen Chagallfenster in St. Stephan zu Mainz geben mir jedes Mal, wenn ich diese Kirchen besuche, eines tiefes Gefühl von Weite und Geborgenheit.
So wünsche ich mir alle Kirchen in unseren Städten und Dörfern, auch die kleinsten und bescheidensten. Dass sie Christen und Nichtchristen einladen, zur Ruhe zu kommen, Dankbarkeit zu empfinden, Sehnsucht zu spüren. Und wenn jemand davon nichts mehr mitbringt, dass sie Dankbarkeit und Sehnsucht wieder erwecken. Ich wünsche mir, dass Menschen in unseren Kirchen nicht kleiner, geduckter und verkrampfter werden. Sondern dass sie sich aufrichten können wie am Strand eines blauen Meeres, wo man sich dem Himmel so nah fühlt und frei wird, zu lachen oder zu weinen.
Manchmal finden Kirchen schon eine Sprache, wie sie hin und wieder auf dem „blauen Sofa“ der Buchmesse in Leipzig zu hören ist. Jedes Jahr, wenn ich mit Neugier zur Buchmesse fahre, nehme ich von den Schriftstellern, die ich auf dem blauen Sofa lesen höre, wenigstens einen Gedanken mit, der mich beflügelt und mich auf der Heimreise sagen lässt: es hat sich gelohnt!
In diesem Jahr hat mich der Dichter Jan Wagner mit seinem Nachdenken über das Dichten froh gemacht. Er sagte, dass man über alles ein Gedicht schreiben könnte, über einen Teebeutel oder eine Regentonne zum Beispiel. Man müsse dem Gegenstand oder der Person nur die nötige Aufmerksamkeit schenken und dann das Gedicht versuchen. Wenn man es geschrieben hat, sagte Jan Wagner, wird man lebenslang ein anderes Verhältnis zum Teebeutel, der Regentonne oder einer Person haben.
Ich musste bei dem, was Jan Wagner zum Dichten einfiel, an die Mystikerin Theresa von Avila denken. Sie soll einmal gesagt habe, dass man überall, bei jeder Tätigkeit, ein Stück von Gott, vom blauen Himmel erhaschen könne – wenn man nur aufmerksam durchs Leben ginge. Man könne auch beim Umwenden eines Omlettes Gott erfahren. Das finde ich hinreißend. Solche Gedanken bringen mir Gott näher. Ich kann ihn spürbar mit Zuhause und Himmel, Brot und Wein verbinden. Solche Gedanken reißen Gott aus der Enge theologischen Denkens, das ich manchmal, aber nicht immer hilfreich finde.
Ich stelle mir vor, in einer Sommeraktion blaue Sofas in die Kirchen zu holen – und Schriftstellerinnen oder Schriftsteller einzuladen, darauf zu lesen.
Oft haben diese Frauen und Männer eine Sprache, die der Sprache in unseren Kirchen neue Impulse und neue Farben verleihen kann. Zum Beispiel die Farbe BLAU, die Farbe vom Meer und vom Himmel.
Vielleicht wird es ja schon jetzt ein blaues Wochenende. Beim Lesen. In einer Kirche. Wer weiß.