Morgenandacht
Sie haben eine gute Nachricht
02.07.2016 06:35

Seit zwei Jahren weicht er nicht von meinem Schreibtisch. Der kleine PLAYmobil-Luther, der für das Reformationsjubiläum 2017 entwickelt und ein großer Renner wurde. Menschen zwischen 4 und 99 Jahren soll er ansprechen. Und das tut er offenbar auch. Ich sah ihn in Kindergärten mit Fantasy-Figuren kämpfen und weiß, dass auch ältere Herren sich Bruder Martin mit Federkiel und Bibel in der Hand gern in die Eisenbahnanlage stellten. Kritiker rief diese Figur natürlich auch auf den Plan. Man könne doch nicht … und man sollte doch eher … und überhaupt…

 

Ich begrüße es, dass in Vorbereitung des Reformationsjubiläums in Wittenberg mit dieser Spielfigur ein niedrigschwelliges Angebot für Menschen gemacht wird, die mit Kirche, Bibel und Luther bisher wenig am Hut hatten. Niemand, dem ich den Verteidiger der kostenlosen Gnade Gottes und den Liebhaber der biblischen Schriften bisher schenkte, hat ihn wortlos ins Regal gestellt. Immer kamen wir ins Gespräch. Was man denn wisse von der Wittenberger Reformation 1517. Was bei uns in Magdeburg geplant sei, in der Stadt, die sich nach einer eindrücklichen Predigt Luthers 1524 in der Johanniskirche als erste zum Protestantismus bekehrte und später den Beinamen des „Herrgotts Kanzlei“ erhielt. Wir sprachen über die Thesentür in Wittenberg, die von einem Magdeburger Restaurator aufgefrischt wurde und darüber, dass man wenig vom Inhalt der Thesen wisse. Das müsse sich ändern!

 

Ich freue mich auf das Reformationsjubiläum im kommenden Jahr. Es kostet viel Geld, gewiss. Und ich weiß auch, dass sich der alte Martin Luther mitschuldig machte an der Diskriminierung und Verfolgung unserer jüdischen Geschwister. Dennoch imponiert mir dieser standhafte Theologe! Durch seine Art, Gott zu verstehen und die Kirche aus ihrer, wie er sagt, babylonischen Gefangenschaft zu befreien, hat er Enormes für die Befreiung aus kirchlichen Zwängen, Lügen und Verklemmungen bewirkt. Er hat Hierarchen entthront, die Sexualität aus der Sündenecke geholt und einer Frau wie mir mit den Weg geebnet, als Pfarrerin arbeiten zu können – es hat dann zwar noch Jahrhunderte gedauert hat, bis frau diesen Weg beschreiten konnte. Trotzdem!

 

Was für ein beschämender Rückschritt, dass Frauen in der lettischen Kirche – durch einen selbstherrlichen Erzbischof und eine unmündige Synode – vor wenigen Wochen die Möglichkeit wieder weggenommen wurde, als Pfarrerinnen zu arbeiten.

 

Ich bin gern eine Evangelische und das nicht gegen, sondern neben meinen katholischen Geschwistern. Sie haben einen glaubwürdigen und richtungsweisenden Papst, zu dem ich sie nur beglückwünschen kann. Sie haben oft eine große Ästhetik in ihren Gottesdiensten und vielleicht eine tiefere Sehnsucht, Gottesdienst zu feiern als viele sonntagsfaule Evangelische. Dennoch bin ich bewusst evangelisch. Denn es ist für mich wichtig, dass Frauen und Männer, Priester und Laien vor Gott gleichrangig sind. Und es ist mir kostbar, dass ich als Pfarrerin wählen durfte, ob ich eine Familie gründen wollte oder nicht.

 

Irgendwann, so hoffe ich, werden wir als evangelische und römisch-katholische Christinnen und Christen gemeinsam Abendmahl feiern. Die Zeit ist längst reif dafür.

 

In Magdeburg wird es 2017 vor den Reformationsfeierlichkeiten einen regionalen Kirchentag zum Thema „Sie haben eine gute Nachricht“ geben. Wir bereiten dafür einen Gottesdienst im Landesfunkhaus vor und sammeln gute Nachrichten, die uns möglichst viele Menschen zusenden sollen. Kurze Sätze, Schlagzeilen. Diese Nachrichten sollen in einem Netz aufgehoben und weitergesagt werden. Vielleicht ist ihre dabei. Wir brauchen solche guten Nachrichten. Das ist gewisslich wahr!