Manchmal, etwa beim Anblick einer besonders schönen Landschaft, sage ich: hier ist es wie im Paradies. Ich atme durch und denke: einfach himmlisch! Die Menschen sind freundlich. Niemand tut mir weh. Das Leben ist leicht. Es duftet nach Freiheit...
Manchmal, in einem besonderen Gottesdienst, ahne ich, was mit dem Himmelreich in der Bibel gemeint sein könnte. Mir ging es so in der liturgischen Nacht unter freiem Himmel auf dem Kirchtag in Wittenberg. Tausende haben gemeinsam Lieder aus Taizé gesungen, sich in Schlafsäcke gehüllt, um unter Sternen einzuschlafen.
Aber wir Christen sind vorsichtig. Wir vermeiden, mit anderen über den Himmel oder das Reich Gottes zu sprechen. Gerade uns zwischen Oder und Elbe Geborenen liegt Heinrich Heines spöttischer Vers auf der Seele: „Den Himmel überlassen wir den Engeln und den Spatzen.“
Wenn wir das VATERUNSER sprechen, sind wir bei der Bitte „Dein Reich komme“, verunsichert. Was soll kommen und wann? Und wie? Wenig Ahnung!
Das macht uns zu schaffen. Denn wenn wir etwa mit Muslimen über deren Paradiesvorstellungen sprechen, merken wir, wie dürftig unsere christlichen Zukunftshoffnungen geworden sind. Sie sind kaum noch Kraftquelle und zaubern uns kein Lachen ins Gesicht. Sie reichen weder zum Leben noch zum Sterben.
Das wird der Kirche heute und morgen schaden, finde ich. Denn das Himmelreich, das Reich Gottes, über das Jesus immer wieder in eindrücklichen Bildern gesprochen hat, ist ja nicht nur eine Zukunftsvision. Nein, schon heute soll es stückweise aufleuchten, den christlichen Glauben für Christen wie für Nichtchristen attraktiv machen. Ein bisschen himmlisch sollte es in den Kirchen unbedingt zugehen. Denn „das Reich Gottes ist mitten unter euch“ (Lukas 17,21) hat Jesus selbstbewusst gesagt.
Darüber nachzudenken, das wünscht sich einer der 95 Menschen, die ich um ihre Wünsche an die Kirche gebeten habe.
Er schreibt: ICH WÜNSCHE MIR EINE KIRCHE, DIE DAS HERUNTERGEKOMMENE REICH GOTTES VERKÖRPERT.
Mir gefällt dieser Wunsch. Auch, dass der Verfasser vom „heruntergekommenen Reich Gottes“ spricht. Das Wort „heruntergekommen“ ist doppeldeutig. Es meint, dass Kirchen in ihrer Praxis den Himmel auf Erden leben sollen. Aber das kann immer nur stückweise gelingen, weil Christen Menschen wie alle Menschen sind. Manchmal gleichen sie sogar einem „heruntergekommenen“ Haufen, der nur überleben kann, weil Gott ihm immer wieder einen Neuanfang gibt.
„Das Reich Gottes ist mitten unter euch.“ Kann man Jesus diese Behauptung abnehmen? Woran kann man das erkennen? In Geschichten gibt er dazu gute Tipps.
Ihr könnt es merken, erzählt Jesus, an einem Arbeitgeber, der seinen Arbeitern den Lohn auszahlt, den er mit ihnen vereinbart hat. Unabhängig davon, wie viel sie geschafft haben. Alle sollen ohne Sorge über den Tag kommen.
Ihr könnt es auch an Menschen merken, die gute Gedanken wie Samen ausstreuen. Sie wissen, dass nur aus solchem Samen genießbare Früchte wachsen können, für einen Frieden, in dem alle satt werden. Aus Hass und Lüge gehen nur faule, stinkende Früchte hervor. Das erlebt, wer auf Facebook oder twitter unterwegs ist.
Mir hilft auch Jesu Vergleich zwischen dem Himmelreich und einem Sauerteig. Wenn Christen das schaffen, ein Stück Sauerteig in ihrem Umfeld zu sein, kann das Leben besser schmecken.
In Magdeburg gab es ein großes Abendessen zu Himmelfahrt am Ufer der Elbe. Das passte gut zum „Kirchentag auf dem Weg“. Aus allen Gemeinden schleppten Inländer und Ausländer reichlich kulinarische Köstlichkeiten an. Kostenlos wurden sie für jedermann und jedefrau angeboten. Alle aßen, tranken und erzählten in vielen Sprachen bis in die Nacht. Ein Stück Himmel auf Erden. Es war zu schmecken und zu spüren, wie Gottes Reich vom Himmel herunter reicht. Ja, es kann heute schon aufleuchten, innerhalb und außerhalb der Kirche.