„ICH WÜNSCHE MIR EINE KIRCHE, DIE SICH STETIG BEMÜHT, GRENZEN ZU SPRENGEN! GRENZEN ZWISCHEN RELIGIONEN, KULTUREN, NATIONEN UND RASSEN.“
Dieser Wunsch einer Ärztin ist einer von 95 Wünschen, die ich für das Reformationsjubiläum gesammelt habe.
Bei jeder Taufe, denke ich, kommen wir Christen diesem Wunsch näher. Vor kurzem habe ich das selbst wieder spüren können, bei der Taufe unseres zweiten Enkelkindes. Als ich das winzige Mädchen segnete, ist mir die Größe der Weltfamilie, in die es durch die Taufe aufgenommen wird, wieder neu bewusst geworden.
Ja, es soll in einer Gemeinschaft groß werden, die nicht Grenzen baut, sondern stattdessen einreißt.
Als Christin brauche ich keine neuen Grenzen zwischen Konfessionen, keine neuen Grenzen in Europa, die wir als Mitteldeutsche so lange schmerzhaft erlitten haben. Diese traurigen Erinnerungen will ich für Kinder und Enkel speichern, damit sie einem geeinten Europa und der globalen Welt gegenüber großherzig und offen bleiben.
Ich bin froh, das erleben und mit gestalten zu können.
Heute breche ich mit einer Reisegruppe von drei Musikern zum wiederholten Mal nach Tansania auf.
Mit diesem ostafrikanischen Land, das wie die ehemalige DDR eine sozialistische Vergangenheit hat, verbindet die evangelische Grundschule und die Hoffnungsgemeinde in Magdeburg das Bildungsprojekt „Education is the key of life“, Bildung ist der Schlüssel zum Leben.
Als ich dieses Projekt 1995 mit einem tansanischen Kollegen begründete, gab es noch viele sichtbare und unsichtbare Grenzen zwischen unseren Ländern. Unsere deutsche Reisegruppe brach in ein Land auf, das zu den ärmsten Ländern der Erde gehörte. Wir hatten in Deutschland Geld gesammelt, um Kindern den damals in Tansania kostenpflichtigen Schulbesuch zu ermöglichen.
Aber wir fuhren zu Afrikanern, deren Kultur und Sprache wir kaum kannten.
Und umgekehrt hatten die meisten Tansanier damals kaum Vorstellungen von Europa, geschweige denn von Deutschland. Sie begegneten uns mzungus, den Weißen, mit Scheu. Manchmal auch mit Unterwürfigkeit. Unsere Vorfahren hatten bis zum ersten Weltkrieg ihr Land als Kolonie beherrscht.
Ich erinnere mich noch an meine tiefe Scham, wenn tansanische Frauen vor mir einen Knicks machten oder mir die Füße küssen wollten. In solchen Momenten wurde mir schlagartig bewusst, welches große Unrecht viele Länder des Westens mit willkürlicher Grenzziehung, Rassendiskriminierung und kolonialer Ausbeutung über den afrikanischen Kontinent gebracht haben. Bis heute sind Nachwehen dieser großen Schuld zu spüren.
Inzwischen hat sich, wie ich finde, vieles zum Besseren verändert.
Die Tansanier sind stolz, Afrikaner zu sein. Sie sehen uns Weiße realistischer und kritischer. Wir sind für sie zwar immer noch Reiche. Aber sie erkennen auch die Armut in unserem sozialen und kirchlichen Leben.
Die meisten jungen Leute in Tansania sind vor allem über Handys gut mit der ganzen Welt vernetzt. Sie studieren ihre Geschichte und lernen zu verstehen, wie ihre Vorfahren ausgebeutet und unterdrückt wurden. Sie beginnen die Ressourcen ihres Landes für sich einzufordern. Denn sie wollen ein Land aufbauen, in dem Flucht kein Sehnsuchtsziel ist.
Tansania hat vor zwei Jahren einen Präsidenten gewählt, der der Korruption im Land den Kampf angesagt hat. Staatliche Schulen können wieder ohne Schulgeld besucht werden und überall werden Menschen ermutigt, durch kleine Geschäfte oder neue Arbeitsplätze selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Noch ist vieles brüchig. Noch ist Tansania auf Entwicklungshilfe, auch im kirchlichen Bereich, angewiesen. Aber das wird sich ändern!
Wir reisen heute zu tansanischen Freunden mit Namen, Gesicht und Geschichte. Mit ihnen wollen wir die gemeinsamen Projekte besprechen, musizieren und weiter planen. Lernen wollen wir von ihrem Mut, ihrer täglichen Lebensbewältigung und christlichen Fröhlichkeit.