Jegliches hat seine Zeit. Steine sammeln, Steine zerstreu‘n. Bäume pflanzen, Bäume abhau‘n. Leben und Sterben und Frieden und Streit. sangen die Puhdys, als ich 15 war und auf der Schuldisco zu dieser Musik getanzt habe. Erst später habe ich erfahren, dass diese Worte ursprünglich aus der Bibel stammen. Denn da heißt es im Prediger Salomo:
Ein jegliches hat seine Zeit und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde. Geboren werden hat seine Zeit und sterben hat seine Zeit. Abbrechen hat seine Zeit und Bauen hat seine Zeit. Weinen hat seine Zeit und lachen hat seine Zeit. Klagen hat seine Zeit und tanzen hat seine Zeit. Schweigen hat seine Zeit und reden hat seine Zeit.
Über 2.500 Jahre sind diese Worte inzwischen alt. Aber ich finde sie nicht nur deshalb bemerkenswert, weil sie aus einer anderen Zeit stammen, sondern besonders, weil sie von einer anderen Zeit reden. Die Zeit, um die es hier geht, ist nämlich nicht die Zeit, die wir in Jahren und Tagen, in Stunden und Minuten messen. Gemeint ist vielmehr, dass es für alles einen richtigen Zeitpunkt gibt.
Ob für das Bauen oder für das Abreißen, ob für das Reden oder für das Schweigen, ob für das Geborenwerden oder für das Sterben: Für alles gibt es einen richtigen Zeitpunkt. Denn die Zeit ist eben nicht immer gleich. Und deshalb kann alles zur rechten Zeit, also zu seiner Zeit, geschehen oder zur Unzeit.
Die alten Griechen hatten für diese Zeit sogar ein eigenes Wort: Chronos war für sie die Zeit, die verrinnt, und die wir mit der Uhr, dem Chronometer messen können. Der richtige Zeitpunkt aber, das war für sie der Kairos. Und es ist wichtig den zu finden. Weil das Leben zwar in der Zeit, also chronologisch verläuft, aber darin trotzdem jegliches seine Zeit, also seinen Kairos hat.
Jegliches hat seine Zeit, das bedeutet dann: Halte Ausschau nach dem richtigen Zeitpunkt für dein Tun: Pflanzen zur rechten Zeit kann zum Segen werden. Zur falschen Zeit zu pflanzen, ist dagegen unsinnig. Ein Lachen ist wunderbar, wenn es im rechten Moment geschieht. Zur Unzeit kann es dagegen verletzend oder sogar zynisch sein. Und selbst das Sterben, das wir nicht in der Hand haben, hat seine Zeit. Ein Segen, wenn jemand zur rechten Zeit sterben kann, und nicht vor der Zeit stirbt oder quälend lange auf den Tod warten muss.
Jegliches hat seine Zeit. Ich glaube, es ist klug, lebensklug, nicht nur auf die verrinnende Zeit zu schauen, sondern auch danach, was heute seine Zeit hat. Es ist die Voraussetzung dafür, dass dieser Tag inmitten der verrinnenden Zeit ein guter Tag werden kann.