Sendung zum Nachlesen
Es ist ein Kreuz mit dem Kreuz. Schon wieder und wie immer schon. Der Apostel Paulus sagt über das Kreuz: den einen ist es ein Ärgernis, den anderen eine Torheit.
In Bayern droht es gerade der Lächerlichkeit preisgegeben zu werden. Ab 1. Juni soll es verpflichtend im Eingangsbereich jeder staatlichen Behörde hängen. So hat es die bayerische Landesregierung beschlossen. Einerseits wird es groß gemacht, soll Identität ausdrücken oder gar stiften. Andererseits wird es in der Begründung aber auch kleingeredet: zu einem irgendwie kulturellen „Bestandteil bayerischen Brauchtums“, neben Lederhose und Biermaß also.
Vielleicht fehlt mir als Brandenburger, noch dazu als einer, der in der DDR aufgewachsen ist, der Sinn für solche Zeichenhandlungen. Mit einem „Glaubensbekenntnis“, wie ich es verstehe, hat diese Aktion der bayerischen Landesregierung jedenfalls nichts zu tun. Und nun sehe ich mich mit zwei Vorwürfen des Generalsekretärs der CSU konfrontiert: Er klassifiziert die Kritiker dieses Erlasses entweder als „Religionsfeinde“, oder als „Selbstverleugner“.
Ich gehe mal davon aus, dass Markus Blume mich, den Pfarrer, nicht zu den „Religionsfeinden“ zählt. Dem Vorwurf, ein „Selbstverleugner“ zu sein, möchte ich mit meiner Vita begegnen.
An der Erweiterten Oberschule trug ich das Zeichen der Jungen Gemeinde am Revers, das Kreuz auf der Erdkugel. Ich war der einzige Christ in meiner Schulklasse und immer, wenn mir die atheistische Gleichschaltung zu penetrant wurde, fühlte ich mich herausgefordert, Position zu beziehen. Irgendwann wurde ich vor den Direktor zitiert. Der erklärte mir, dass solche Bekenntniszeichen in der Schule nichts zu suchen hätten. Also nahm ich das Kreuz beim Betreten der Schule ab und legte es wieder an, wenn ich auf die Straße trat. Das fand Beachtung und das genügte mir. Besonderer Mut gehörte nicht dazu, aber es war immerhin eine Haltung im Gegenwind.
Das Kreuz zeigen und ein Kreuz haben, das gehört für mich zusammen.
Es ist riskant, mit dem Kreuz Parteipolitik zu machen – und deshalb will ich daran erinnern, zu welchen Konsequenzen das Kreuz herausfordert. Denn Jesu Erwartung an seine Jünger ist hoch, fordert er doch: „Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“ (Mk 8,34) Welchen Anspruch erhebt also das Zeichen des Kreuzes für die Arbeit in so gekennzeichneten Amtsstuben?
Zunächst: Der einzelne Mensch war Jesus immer wichtiger als die Norm. Das Misstrauen seiner Feinde hat er durch Liebe und Vertrauen überwunden, nicht durch Drohungen. Seinen Anhängern riet Jesus, ihren Reichtum an Bedürftige zu verschenken, für Fremde forderte er Gastrecht. Daran denke ich, wenn ich auf das Kreuz schaue, und ich frage mich, wie amtliche Entscheidungen wohl aussehen werden, die unter diesen Prämissen getroffen werden.
Jesus war von einer Güte und Zugewandtheit, die mich als Christen beschämt und mir meine Kleinlichkeit, meine Begrenztheit vor Augen führt. Immer wieder frage ich mich, ob ich der Herausforderung des Kreuzes letztlich gewachsen bin? Werde ich meinem Nächsten wirklich zum Nächsten, so wie der barmherzige Samariter? Oder schleiche ich mich einfach nur an der Not vorbei, wie mein Priesterkollege im Gleichnis Jesu?
Ich empfände es als gute Ergänzung, wenn Kirchengemeinden in Bayern unter die vielen neu montierten Kreuze dieses Gebet von Dorothee Sölle auslegen würden:
Lehre uns minderheit werden gott
in einem land das zu reich ist
zu fremdenfeindlich und zu militärfromm
paß uns an deine gerechtigkeit an
nicht an die mehrheit
bewahre uns vor der harmoniesucht
und den verbeugungen vor den großen zahlen (1)
Was bedeutet das Kreuz Ihnen? Sie können mitdiskutieren, bei Facebook unter: „deutschlandradio.evangelisch“.
Literaturhinweis:
- "Minderheiten" in: Dorothee Sölle, Loben ohne lügen, Gedichte (c) Wolfgang Fietkau Verlag 2000
Es gilt das gesprochene Wort.