Morgenandacht
Gemeinfrei via Unsplash/ Emil Kalibradov
Drückende Schulden
Morgenandacht von Pfarrer Frank Mühring
10.10.2023 06:35

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Die Sendung zum Nachlesen: 

Als ich ein kleiner Junge war, hatten meine Eltern oft Streit miteinander. Sie haben um das Thema „Geld“ gestritten. Beide sind berufstätig gewesen und haben eigentlich recht gut verdient. Dennoch blieb zur Mitte des Monats, kurz bevor das neue Gehalt für die Angestellten kam, kaum etwas in der Haushaltskasse übrig. Beide versuchten das leidige Thema vor mir gut zu verbergen.

Es war meiner Mutter und meinem Vater anzusehen: Die roten Zahlen auf dem Konto bedrückten sie. Sie schämten sich vermutlich sehr dafür, dass sie nicht gut wirtschaften konnten. Kredite für die Urlaubsreisen und für das neue Wohnzimmer schränkten zusätzlich ihr monatliches Budget ein. Im Nachhinein ärgerten sie sich über viel zu hohe Zinsen. Wenn dann noch weitere Rechnungen hinzukamen oder eine saftige Nachzahlung von den Stadtwerken, dann sank die Stimmung auf den Tiefpunkt. „Diese Rechnung zahlst aber du, nicht ich,“ sagte meine Mutter. „Warum denn immer ich,“ gab mein Vater lautstark zurück, „du verdienst doch auch.“

„Leise, still, nicht so laut!“ flüsterte meine Mutter während dieser leidigen Diskussionen. „Nicht vor den Ohren des Jungen. Der soll nicht darunter leiden.“ Meine Eltern stritten immer spät abends. Wenn sie dachten, ich würde dann bereits schlafen. Pustekuchen. Wenn der Streit um die Schulden losging, saß ich oft aufrecht in meinem Bett und konnte nicht einschlafen. Ein seltsames Gefühl konnte ich nicht loswerden: Vielleicht liegt es ja alles an mir, wenn meine Eltern sich immer streiten. Möglich, dass alles nur meine Schuld ist. Wenn ich nicht da wäre, vielleicht könnten meine Eltern dann ohne Sorgen und ohne Schulden gut leben.

„Vergib uns unsere Schulden“ betete ich deshalb als kleiner Junge, wenn ich im Stillen das Vaterunser sprach. Ich hoffte, Gott würde unsere Geldschulden irgendwie einfach verschwinden lassen. Mit meiner heutigen Lebenserfahrung weiß ich: Schulden und Schuld können klebrig werden wie Tapetenkleister. Wenn Schulden aus dem Ruder laufen, kann man sich kaum davon befreien. Jemand muss kommen und dir helfen, schrittweise deine Schulden abzubauen. Oder Dich freisprechen von der Schuld.

Schuld und Schulden sind nicht nur sprachlich miteinander verwandt. Der Evangelist Matthäus erzählt, wie Jesus das Thema „Schuld und Schulden“ bearbeitet:

„Mit dem Himmelreich verhält es sich wie mit von einem König, der mit seinen Knechten abrechnen wollte. Da wurde einer vor ihn gebracht, der war ihm zehntausend Zentner Silber schuldig. Da er's nun nicht bezahlen konnte, befahl der Herr, ihn und seine Frau und seine Kinder und alles, was er hatte, zu verkaufen und damit zu bezahlen. Da fiel ihm der Mann zu Füßen und flehte ihn an und sprach: Hab Geduld mit mir; ich will dir's alles bezahlen. Da hatte der Herr Erbarmen mit diesem Knecht und ließ ihn frei und die Schuld erließ er ihm auch.“ (Aus Matthäus 18,23-27)

Jesus empfiehlt Barmherzigkeit. Da wird die Schuld des Gläubigers offengelegt, aber es kommt nicht zur Anklage. Der Knecht und seine Familie sollen wieder Luft zum Atmen bekommen. Das ist der Clou bei der Vergebung: Es gibt neue Möglichkeiten! Der König erbarmt sich und fängt nicht an zu rechnen. Er schreibt keine neuen Tilgungspläne. Er sieht den Menschen an. Und lässt auf wundersame Weise den Schuldschein verschwinden. Ihr seid frei! Euer Leben kann noch einmal neu beginnen.

Heute berate ich manchmal Menschen, die in einer Schuldenfalle stecken. Ich weiß nun: Meine Eltern sind nicht die einzigen Menschen, die sich in Schulden verstrickt haben. Jedes Gespräch über das leidige Thema beginnt mit der Suche: Wie finden wir gemeinsam einen Weg, dass man wieder Luft zum Atmen hat?

Es gilt das gesprochene Wort.

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