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Die Sendung zum Nachlesen:
Von dem Physiker Niels Bohr, der für seine Erforschung der Atome den Nobelpreis erhalten hat, wird eine eigenartige Begebenheit berichtet. Einst besuchten ihn Studenten in seiner Hütte, die er sich im Wald gebaut hatte. Erstaunt bemerkten sie ein Hufeisen, das über dem Eingang hing. Ein Hufeisen ist wohl das bekannteste Glückssymbol: Es muss mit der Öffnung nach oben angebracht werden, um Glück und Segen darin aufzufangen; so besagt es jedenfalls der Volksmund. Nun hatten die Studenten bei dem stets so klar denkenden und logisch strukturierten Naturwissenschaftler auf keinen Fall einen Hang zum Aberglauben vermutet. Deshalb stellten sie ihn zur Rede, ob er etwa abergläubisch sei? Niels Bohr soll ihnen knapp geantwortet haben: Natürlich glaube er nicht an so etwas, aber man habe ihm versichert, dass es auch hilft, wenn man nicht daran glaubt!
Diese so gern erzählte Episode ist nicht nur kurios. Sie dokumentiert ein eigentümliches Phänomen, das immer häufiger auch im Verhältnis zur Religion zu beobachten ist. Da erscheinen einzelne Aspekte durchaus interessant und sogar verlockend, während andere gar nicht in Frage kommen. Besonders die Rituale erfreuen sich einer gewissen Beliebtheit, Taufen, Hochzeiten und Konfirmationen geben dem Leben eine Kontur, lassen wichtige Anlässe noch tiefgründiger erscheinen. Sie sind noch immer recht populär.
Ganz anders sieht es mit christlichen Glaubenssätzen aus wie der Auferstehung Christi von den Toten oder dem trinitarischen Gottesbild vom Vater, Sohn und Heiligen Geist. Oder gar die Jungfrauengeburt Jesu. Solche theologischen Aussagen stoßen häufiger auf Skepsis oder Ablehnung. Aber das Entscheidende: Die religiösen Praktiken und Ritualen scheinen nicht unbedingt von diesen Dogmen abzuhängen - jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Es ist eben ein Unterschied, ob man das ganze Paket des Bekenntnisses kauft oder nur einzelne Teile von der Religion. Oder wie Niels Bohr es ausgedrückt hat: Sie wirken eben auch, wenn man nicht daran glaubt!
Man kann es durchaus kritisch sehen, wenn der Glaube in dieser Weise auseinanderdriftet: Auf der einen Seite stehen dann die gelebten Formen einer religiösen Haltung. Dazu gehören neben den Ritualen und den Feiertagen die Meditation, ebenso das Fasten und Gebete mit dem Anzünden von Kerzenlicht bei großen Katastrophen. Auf der anderen dann die Dogmen, also die christlichen Glaubensinhalte. Wenn beide Seite zu weit auseinandergeraten, besteht die Gefahr, dass sie sich verselbständigen. Religiöse Praktiken bekommen dann neue Deutungen, sie werden irgendwie unverbindlich und geraten schnell in die Fänge der Kommerzialisierung. Das ist eine Gefahr.
Aber die zunächst so kurios wirkende Behauptung von Niels Bohr, Rituale wirkten auch dann, wenn man nicht an sie glaubt, hat noch eine andere Seite. Und die ist sogar aufmunternd.
Den christlichen Glauben bekommt man nicht nur im Gesamtpaket, es gibt sehr verschiedene Möglichkeiten, seinen Weg zu Gott zu finden. Der christliche Glaube ist divers: er kennt unterschiedliche Formen, die nicht immer zueinander passen, die für differente Lebenssituationen stehen. Was für den Einen wichtig ist, mag bei der Anderen gerade Zweifel verursachen. Aber wichtig ist: Das Einzelne passt und wirkt trotzdem. Anders ausgedrückt: Gebete haben auch dann eine Wirkung, wenn du nicht das ganze Repertoire des Glaubensbekenntnisses teilst. Du darfst dir Skepsis erlauben, du musst nicht allen Aussagen vorbehaltlos zustimmen und kannst trotzdem deinen Weg im Glauben gehen.
Mein relativ langes Leben verbringe ich nun schon in ständiger persönlicher und beruflicher Auseinandersetzung mit dem Glauben. Nicht zu allen Aspekten habe ich eine Position gefunden. Mein Glaube bleibt ein ständiges Ringen. Er schwankt zwischen Zweifel und Gewissheit, zwischen Verzweiflung und Hoffnung. Aber es wirkt auch dann, wenn du nicht an alles glauben kannst. Wichtig ist, auch weiterhin um diesen Weg zu ringen, trotz aller Skepsis und mit allen Zweifeln.
Es gilt das gesprochene Wort.