Neues von den Weisen aus dem Morgenland

Feiertag

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Neues von den Weisen aus dem Morgenland
04.01.2015 - 07:05
05.01.2015
Professor Günter Ruddat

In diesen Tagen sind wieder Sternsinger unterwegs, sie bringen Segen und sammeln Gaben für Kinder in Not - weltweit. Die Sternsinger tragen eine alte Geschichte weiter.

 

Jesus wurde zur Zeit des Königs Herodes in Bethlehem, im Lande Judäa, geboren. Eines Tages kamen Sterndeuter aus dem Osten in die Stadt Jerusalem und fragten nach dem neugeborenen König der Juden: „Wir haben gesehen, wie sein Stern aufging, im Osten, und sind gekommen, um vor ihm niederzuknieen und ihn anzubeten.“ Als der König Herodes das hörte, erschrak er – und mit ihm ganz Jerusalem -, ließ alle Großen Priester und Schriftausleger zusammenkommen und fragte sie: „Wo soll der Messias geboren werden?“ Sie antworteten ihm: „In Bethlehem, im Lande Judäa. Denn der Prophet hat gesagt: Du, Bethlehem, Land Juda, gewiß nicht die kleinste bist du unter den Fürstenstädten von Juda, denn aus dir wird der Herrscher kommen, der Hirte meines Volkes Israel.“

 

Darauf rief Herodes die Sterndeuter heimlich zu sich, ließ sie genau bestimmen, wann das Gestirn erschienen war, und schickte sie nach Bethlehem: „Geht“, sagte er, „stellt sorgfältig Nachforschungen an, und wenn ihr das Kind gefunden habt, gebt mir Bescheid, damit auch ich es anbeten kann.“

 

Nach diesen Worten des Königs machten sich die Sterndeuter auf den Weg, und das Gestirn, das sie im Osten hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her, bis es sein Ziel erreicht hatte und stehen blieb, hoch über dem Ort, wo das Kind war. Als die Männer den Stern sahen, überkam sie große Freude; sie gingen ins Haus, erblickten das Kind mit Maria, seiner Mutter, fielen nieder und beteten es an. Dann öffneten sie die Kästen, in denen sie die Schätze aufbewahrt hatten, und brachten ihm ihre Geschenke: Gold und Weihrauch und Myrrhe. Danach zogen sie auf einem anderen Weg heim in ihr Land; Denn sie hatten im Traum die Weisung erhalten, nicht zu Herodes zurückzukehren. (1)

 

 

Wir erinnern uns, wir greifen ja so gern nach den Sternen, wir übersehen so leicht, was vor Augen ist und was uns ans Herz gelegt wird, aber die Geschenke haben wir augenfällig im Blick, die drei Gaben bringen zum Strahlen:

 

Gold – das wertvollste Geschenk, der gelbe kostbare „Sternenstaub“ glänzt so hell wie die Sonne. Mit Gold war die Bundeslade im Tempel ausgekleidet, wie das Alte Testament erzählt, und später so manches Schnitzwerk der Altäre in den Kirchen. Gold, das angemessene Geschenk für einen König, die passende Gabe für diesen ganz anderen König. Das Gold konnten die Ärmsten sicher gut gebrauchen. Es könnte die Armut verwandeln. Ich höre einen Menschen beten:

 

Jesus, ich komme zu dir und bringe dir mein Leben, wie das Gold, das mich an all den Reichtum erinnert, der mich bis ins hohe Alter begleitet. Das Gold meines Lebens macht mich verantwortlich, diesen Schatz in Liebe zu teilen. Alle sollen genug zum Leben haben. Schenk uns Glauben und schütze uns.

 

Weihrauch – ein geheimnisvoller Duft, das besonders in der katholischen Kirche vertraute Harz. Beim Verbrennen verströmt es angenehmen Wohlgeruch und wird seit alters her für Rauchopfer verwendet. Mit dem Weihrauch sollen Sehnsucht, Traum und Hoffnung sich ausdrücken, sollen Gebete zum Himmel aufsteigen und Menschen mit Gott verbinden. Und wieder höre ich einen Menschen beten:

 

Jesus, ich komme zu dir und sehe auf mein Leben - wie auf den Weihrauch, der mich an einen Horizont erinnert, der mitten im Leben weit über uns hinausgreift. Weihrauch weist mich auf Gott, und erinnert an all die guten Gedanken und Gefühle, die  mich erfüllen. Schenk uns Liebe und bewahre uns.

 

Myrrhe – Balsam für Leib und Seele, ein wohlriechendes, aber bitter schmeckendes Harz, Damit wurden Wunden gesalbt und Schmerzen behandelt und auch Tote einbalsamiert. Myrrhe – wie eine Vorahnung für das, was auf das Kind zukommt. Noch einmal höre ich einen Menschen beten:

 

Jesus, ich komme zu dir und bedenke mein Leben mit seinen Höhen und Tiefen, wie die Myrrhe, die an all das Bittere und an all das Wohltuende erinnert, das uns von klein auf begegnet und sich in unser Leben mischt. Myrrhe weist auf all die toten Punkte und Erfahrungen des Todes, die mich bewegen, auf all die überraschenden Augenblicke von Heil und Heilung. Schenk uns Hoffnung und bewahre uns.

 

Gold, Weihrauch und Myrrhe, drei besondere, kostbare Gaben, auf den ersten Blick völlig unpassend für ein neugeborenes Kind, sie haben wohl dazu geführt, die Zahl der Sterndeuter auf drei festzulegen, und die wandelten sich später dann zu den „drei Königen“.

 

Und diese Drei stehen  für ganz verschiedene Traditionen: Die Drei sollen Armut und Reichtum umgreifen, im Gegenüber zu dem Macht strotzenden König Herodes und zu den machtlosen Hirten. Die Drei sollen die ganze Spanne des Lebens darstellen: die drei Lebensalter: Jugend, Lebensmitte und hohes Alter. Die Drei sollen die ganze Welt zusammenbringen, die im frühen Mittelalter bekannte Welt, die drei Erdteile: Afrika, Asien und Europa.

 

Und die alte Geschichte entwickelte sich immer weiter. Da werden die drei Gaben mit drei sprechenden Namen verbunden.

 

Caspar: „Schatzträger“ - der schwarze Jüngling schenkt die Myrrhe für den Menschen in Jesus...         
Melchior: „Lichtkönig“ - der Mann in der Lebensmitte schenkt den Weihrauch für den Gott in Jesus...
Balthasar: “Gottesschutz” - der alte Mann schenkt das Gold für den König in Jesus…

 

Die drei Könige beschenken den anderen König, das Jesus-Kind, den „König der Könige“.

 

 

Ich erinnere mich an eine Reise in den Osten der Türkei: Im Südosten, nicht weit von der syrisch-irakischen Grenze, wo heute ein Flüchtlingslager neben dem anderen liegt, besuche ich mit einer Gruppe den Tur Abdin, den „Athos des Ostens“, einen fruchtbaren Bergzug mit Weinstöcken und Mandelbäumen und ehemals vielen christlichen Kirchen und Klöstern. Auf verstaubten Wegen erreichen wir Hah, ein aramäisches Dorf, die meisten Dorfbewohner sind in den letzten Jahrzehnten ausgewandert, einige sind inzwischen wieder zurückgekehrt. Heute leben hier überwiegend Kurden.

 

Wir besuchen das Kloster, das seit kurzem renoviert wird. Ein Kreuz mit zwölf Spitzen begrüßt uns über dem großen Tor der Kirche.  Sie trägt den Namen der Mutter Jesu, Marienkirche.  Die Leute hier sagen: Das ist die älteste Kirche der Christenheit, gebaut kurz nach Jesu Geburt. Und wir treffen junge Christen, die hier mit den Mönchen auf Zeit zusammen leben und arbeiten. Sie beten gemeinsam Aramäisch und feiern Gottesdienst in der Sprache Jesu. Sie erzählen uns die Geschichte, die mit diesem Ort verbunden ist:

 

In der Zeit, als Jesus geboren wurde, kommen zwölf Könige, zwölf Brüder nach Hah, sie kommen aus dem Osten, aus dem Land, wo die Sonne aufgeht. Sie folgen einem Stern, sie deuten ihn als Zeichen eines neugeborenen Königs im Lande Juda.

 

Diese zwölf Könige, Zwölf an der Zahl wie die Söhne Jakobs, die Stämme Israels, Zwölf wie die Jünger, sie machen Rast auf ihrem langen Weg, und König Hanna von Hah nimmt sie gastfreundlich auf. - Nur drei von ihnen werden ausgewählt, sie ziehen weiter nach Jerusalem. Sie finden das Kind in Bethlehem und beschenken es.

 

Maria und Josef haben aber schon alles zusammengepackt, denn die Flucht steht an, die Flucht nach Ägypten, Flucht vor den mörderischen Plänen des mächtigen Herodes. - Da findet sich nur noch eine Windel des Jesus-Kindes, die erbitten sich die Drei als Andenken - und dann machen sie sich wieder auf den Rückweg.

 

Zurück in Hah bei den anderen wollen sie dieses Andenken nicht zerteilen, so verbrennen sie die Windel, um dann die Asche unter sich aufzuteilen. Doch im Feuer verwandelt sich das Tuch in 12 Goldmünzen. Beeindruckt von diesem Wunder beschließen sie, eine Kirche zu bauen, die bis an das Ende der Welt bestehen soll, diese Marienkirche, in der wir uns gerade befinden – den Grundstein sollen Engel gelegt haben.

 

 

Immer wieder gibt es so Neues zu erzählen von den Weisen aus dem Morgenland und zugleich kann eine ganz persönliche Weihnachtsgeschichte des Glaubens lebendig werden  – eine wunderbare Weggeschichte.

 

So mache ich mich jetzt auf den Weg mit den Weisen und entdecke Station für Station:

 

Eine erste Station

Ich breche auf - von da, wo ich zuhause bin. Eines Nachts fühle ich mich angesprochen in meiner tiefen Sehnsucht nach einer neuen Zeit des Friedens und der Gerechtigkeit. Eines Tages werde ich überraschend aufmerksam. Und ich erlebe: Es ist nicht leicht, von sich selber abzusehen, sich nicht nur um sich selbst zu drehen, sondern die Welt im Großen und im Kleinen im Blick zu behalten, endlich aufzustehen und aufzubrechen. Hat nicht einer gesagt:  Ich werde mit dir sein!

 

Eine zweite Station

Ich bin unterwegs. Ich mache mich auf den Weg, ungewohnt unruhig, unterwegs durch die „Wüsten“ meines Lebens, unterwegs in Zeiten der Müdigkeit, von Hunger und Durst, von Zweifeln über das entschwindende Ziel... unterwegs durch die „Wüsten“ meiner Lebenszeiten, Wegstrecken, wo ich nicht nur mir selbst begegne, sondern auch anderen, die auf der Suche sind, mit denen ich mich zusammensetzen kann. Und ich erlebe: Ich kann immer wieder weiter gehen – ich bin nicht allein. Hat nicht einer gesagt: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen!

 

Eine dritte Station

Ich orientiere mich. Auf einmal wird unser Weg jäh unterbrochen, wir kommen allein nicht weiter, wir wissen nicht mehr weiter, sind mit unserem Latein am Ende... Wir sind angewiesen auf die Hilfe anderer, manchmal auch auf das Wissen der Herrschenden. Die schmerzliche Erkenntnis macht sich breit, wir kommen nicht heraus aus  dieser Welt, wir sind unverändert geprägt von Abhängigkeiten und Ängsten, von Geiz, Gewalt und anderen Gefährdungen des Lebens. Und doch können wir immer wieder nach Orientierung fragen, ja, uns zum Orient ausrichten, zum Morgenstern im Osten, nach Licht und Leben fragen, nach Verlässlichkeit und Wahrheit, aufmerksam für das, was wirklich Leben entwickelt und ausstrahlt. Hat nicht einer gesagt: Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis!

 

Ich bin angekommen – die vierte Station auf meinem Weg mit den Weisen. Ankommen – das erscheint immer wieder als das Wichtigste an einer Reise. Das weiß jedes Kind: wie lange dauert es noch? wann sind wir endlich da? Der Weg lohnt, weil das Ziel lockt. Ankommen – das heißt aber auch: ich lasse den Blick nicht nur auf die Erfahrungen der Reise zurückschweifen, sondern ich vergleiche die vorgefundene Wirklichkeit mit den Bildern der Sehnsucht, sehe genau hin. Dann bedeutet Ankommen:

 

Nicht-Erwartetes verstehen zu lernen und Überraschendes einzubeziehen, die vertrauten Wertmaßstäbe hinter sich zu lassen und auch einmal  auf die Knie zu gehen, sich in die neue Erfahrung hinein zu knien. Und gehört zum Ankommen nicht auch: Endlich zur Ruhe zu kommen, sich wirklich zu begegnen, sich etwas Gutes zu tun, einander Freude zu bereiten und sich zu beschenken. Und darin immer wieder die alltägliche Frage: Was bringe ich mit? Was verschenke ich gern? Hat nicht einer gesagt: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.

 

Eine fünfte Station

Ich halte inne, ich hole Atem. Wir haben augenscheinlich den Höhepunkt des Wegs hinter uns, wenn das Ziel erreicht ist, wenn wir angekommen sind. Und doch geht das Leben weiter, manchmal wie im Traum. Die Geschichte nimmt eine überraschende Wendung. Und so gilt immer wieder; Inne halten, sich Zeit geben für Träume. Sich fallen lassen und einlassen. Und es ist eine offene Frage, wie wir mit solchen Augenblicken und Zeiten umgehen, zwischen Tag und Nacht, zwischen Traum und Wirklichkeit, welche Beachtung wir ihnen schenken, welche Bedeutung wir ihnen geben? Hat nicht einer gesagt: Es ist noch eine Ruhe vorhanden für die Menschen Gottes!

 

Eine sechste Station

Dann geht es weiter - auf einem anderen Weg, Innehalten, das ist immer wieder entscheidend, wenn Menschen einen neuen Weg einschlagen wollen, sich nicht von den Mächtigen einspannen lassen, wenn sie offen dafür werden, das Unbestimmte eines Traums zum selbstbestimmten Handeln werden zu lassen, nicht mehr blind sogenannten Entscheidern zu vertrauen / nicht mehr blind, sondern sehend zu vertrauen. Das ist alles andere als leicht, das erfordert Mut. Jede und jeder kann in solche Situationen geraten, die das Aufwachen aus den Tagträumen mit sich bringt und nach sich zieht. Hat (da) nicht einer gesagt: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.

 

Eine letzte, siebte Station

Ich kehre heim. Endlich bin ich wieder zuhause, wo ich kommen und gehen kann, wo ich mich einbringen und verweigern kann, wo ich angesprochen werde und mich verändern kann, wo ich unter allen Umständen Heimatrecht habe und es auch anderen einräume… und die Welt in einem neuen Licht sehe, wo ich von Zeit zu Zeit Neues und Überraschendes erlebe - trotz mancher Vertrautheit und Verwurzelung. Mein Horizont hat sich verändert, erweitert und verfremdet, da kann ich Türen aufstoßen zu neuen Räumen und Fenster öffnen, da weht frischer Wind, ein anderer Geist zieht ein. Da ist Zukunft offen. Hat nicht einer gesagt: Ich sehe einen neuen Himmel und eine neue Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt.

 

 

1. Die Weisen sind gegangen.
Der Schall verklang, der Schein verging,
der Alltag hat in jedem Ding
nun wieder angefangen.

 

2. Der Wanderstern verglühte,
kein Engel spricht, kein Schäfer rennt,
und niemand beugt sich und erkennt
die Größe und die Güte.

 

3. Wie läßt sich das vereinen:
der Stern war da, der Engel rief,
der Schäfer mit den Weisen lief
und kniete vor dem Kleinen?

 

4. Auch sie sind nicht geblieben,
die beiden mit dem kleinen Kind.
Ob sie schon an der Grenze sind,
geflüchtet und vertrieben?

 

5. Was soll ich weiter fragen.
Ich habe manches mitgemacht -
wem trau ich mehr: der einen Nacht
oder den vielen Tagen? (2)

 

Die Weisen sind gegangen. Doch die Sternsinger kommen und schreiben an die Tür:   
20 * C + M + B * 15        
Christus mansionem benedicat.

 

Christus segne dieses Haus - und alle, die da gehen ein und aus. Christus segne die Häuser und Hütten aller Menschen - und die ganze bewohnte Erde. Christus segne dich und mich und uns alle - und schenke uns ein gesegnetes Jahr.

 

 

Musik dieser Sendung:               
Hans-Jürgen Hufeisen, Gold, Weihrauch und Flöte. Kreuz-Verlag, Stuttgart 2001, Hufeisen Edition he 1002.

(1) Track 12: Engel im Traum, komponiert von H.J. Hufeisen      
(2) Track 9: Mein Geschenk für Dich, Impression von H.J. Hufeisen zu dem Lied „Ich steh an deiner Krippen hier von J.S. Bach (1686-1750)            
(3) Track 10: Quelle der Freude, komponiert von H.J. Hufeisen
(4) Track 3: Stern und Weg, komponiert von H.J. Hufeisen         
(5) dito
(6) dito
(7) Track 13: Vertrauen (Händels Messias: Aria 17), komponiert von G.F. Händel (1685-1759) und bearbeitet von H.J. Hufeisen

 

Literaturangaben:
(1) Walter Jens, am Anfang der Stall am Ende der Galgen: Jesus von Nazareth, Kreuz-Verlag, Stuttgart 1972, S. 8-10 (Matthäus 2,1-12), ISBN 3 7831 0377 0.

(2) Gerhard Valentin 1965 (Text von EG RWL 548) – Rechte: Strube Verlag, München, ISBN 3-579-00004-7.

05.01.2015
Professor Günter Ruddat