Jetzt!

Feiertag
Jetzt!
Über die Sehnsucht nach dem vollendeten Augenblick
25.05.2015 - 07:05
02.04.2015
Pfarrer Stephan Krebs

Es gibt Momente, in denen öffnet die Seele ihre Türen ganz weit. Äußerlich muss dafür gar nicht viel passieren. Aber im Inneren geschieht etwas. Da fühlt sich das Leben plötzlich viel intensiver an als sonst. Man versinkt ganz und gar im Hier und Jetzt. Dieses Erlebnis lässt sich ganz diesseitig einfach als Glücksgefühl beschreiben. Aber man kann darin auch mehr erkennen: eine Berührung mit dem Urgrund des Seins, mit Gott.

 

Dieses intensive JETZT-Erlebnis ist zu einem Schlüsselwort unserer Zeit geworden. So soll sich das Leben möglichst oft anfühlen, am liebsten immer. Vieles wird deshalb zum unvergesslichen Ereignis stilisiert – die Sonnenfinsternis, der Heiratsantrag oder das lange Wochenende. Die Parolen dafür lauten: Lebe den Augenblick! Sei ganz im Hier und Jetzt!

 

Völlig neu ist das nicht. Intensive JETZT-Erlebnisse haben Menschen vermutlich schon immer gehabt und als schön empfunden. Mir scheint aber: Sie bedeuten heute noch viel mehr als früher. Sie sind zu einer wichtigen Währung für den Sinn des Lebens geworden. Gut ist das Leben erst, wenn es möglichst viele dieser vollendeten Augenblicke aufzuweisen hat. Die Folge: Viele spüren in sich einen dauernden Erlebnishunger. Das Schlimme an ihm ist: Dieser Hunger nach dem intensiven JETZT wird nie dauerhaft gestillt.

 

Aber merkwürdig: Wie passt das zusammen mit den Smartphones und Tablet-Computern, die inzwischen allgegenwärtig sind? Mit Hilfe dieser Geräte sind ihre Besitzer ständig und überall online – im Zug, im Café und natürlich zuhause vernetzt mit der ganzen Welt. Und das heißt: Sie sind in Gedanken dauernd woanders. Smartphone-Besitzer schauen über 70 Mal am Tag auf ihre Geräte, um Mails und Nachrichten zu checken. Junge Leute tun das sogar mehr als 130 Mal am Tag. Intensiv nutzen sie diese schönen, neuen Kommunikationsmöglichkeiten. Aber jedes Mal verabschieden sie sich dabei mit einem Teil ihrer selbst aus dem Hier und Jetzt. Wie soll da ein intensives JETZT-Erlebnis überhaupt entstehen?

 

Ein widersprüchliches Phänomen also. Grund genug es ein wenig zu ergründen. Helfen können dabei moderne Lieder, denn natürlich handeln auch von ihnen viele davon. Eines stammt vom deutschen Pop-Duo Ich & Ich. Der Titel lautet: „So soll es bleiben“.

 

„Ich warte schon so lange auf den einen Moment. Ich bin auf der Suche nach hundert Prozent. Wann ist es endlich richtig? Wann macht es einen Sinn? Ich werde es erst wissen Wenn ich angekommen bin. Ich will sagen: So soll es sein. So kann es bleiben. So hab ich es mir gewünscht. Alles passt perfekt zusammen, weil endlich alles stimmt und mein Herz gefangen nimmt.“

 

Den Hunger nach dem intensiven JETZT-Erlebnis möchte ich gerne genauer verstehen. Fünf Fragen sollen dabei helfen. Die erste lautet: Wie fühlt sich dieses intensive JETZT eigentlich an?

 

Ein Freund erzählte mir von einem solchen Moment. Es geschah auf einer Reise durch Peru. Er und seine Freundin sitzen in einem klapprigen Bus. Der schraubt sich über eine Passstraße in das Gebirge der Anden hoch. Eine grandiose Bergkulisse tut sich auf. Hinter ihr geht die Sonne glutrot unter. In dem Bus klingt aus den Lautsprechern eine Musik, die für meinen Freund perfekt passt: Stairway to heaven. Da erfasst ihn plötzlich dieses unglaubliche Glückgefühl, ein Augenblick um darin zu versinken – am liebsten für immer. Natürlich möchte er diesen Moment mit seiner Freundin teilen. Er schaut zu ihr. Doch sie kauert nur lustlos neben ihm auf der Sitzbank. Genervt vom Staub in der Luft, vom ewigen Geschaukel des Busses, hin und her geworfen von den Schlaglöchern und den engen Kurven. In diesem Moment, so erzählt mein Freund, wurde ihm klar: „Das ist nicht die richtige Frau für mich. Denn sie kann diesen Moment nicht mit mir teilen.“ Jäh wendet sich sein intensives JETZT-Erlebnis.

 

Zum Glück bleibt man damit aber nicht immer allein. Man kann solche Momente gemeinsam erleben – und dann werden sie oft noch viel intensiver.

Einen solchen gemeinsamen JETZT-Moment erleben die Jünger von Jesus. Darüber berichtet die Bibel in der Geschichte über Pfingsten. Sie beginnt ganz kümmerlich: Die Jüngerinnen und Jünger Jesu sitzen verängstigt zusammen. Irgendwo in Jerusalem haben sie sich in einem Haus getroffen. Sie müssen reden, denn sie wissen nicht weiter. Jesus hat sie verlassen, er ist gen Himmel gefahren, heim zu seinem himmlischen Vater. Die Jünger hat er einfach zurück gelassen. Nun finden sie sich wieder – ohne Jesus, ohne seinen Schutz, ohne seine Leitung. Was sollen sie tun? Sie haben keine Ahnung.

 

Da geschieht das, was die Bibel als Pfingstwunder beschreibt. Aus dem Himmel ertönt ein Brausen. Feuerzungen kommen von dort und legen sich auf das Haus und auf die Jüngerinnen und Jünger. Jeden Kopf trifft eine Feuerzunge. Das wirkt. Natürlich bleibt das nicht unbemerkt. Leute aus der Umgebung laufen herbei und wollen sehen, was da passiert. Die Jünger gehen vor das Haus und fangen an, mit diesen Leuten zu sprechen. Sie kommen aus aller Herren Länder, denn Jerusalem ist zu jener Zeit ein internationaler Schmelztiegel der Völker, Kulturen und Sprachen. Dennoch verstehen alle, was die Jünger sagen. Jeder in seiner Sprache. Ein irrer Moment! Eigentlich unmöglich! Ein Wunder. Aber das ist noch nicht alles. Sie verstehen nicht nur die Worte, die die Jünger in ihrem Galiläa-Dialekt aussprechen. Sie verstehen auch deren tieferen Sinn. Sie werden davon im Innersten berührt. Herz und Verstand öffnen sich für das, was sie über Jesus Christus hören. Sie spüren die Kraft, die in diesem Moment von den Jüngern ausgeht. Und natürlich wollen sie diese Kraft auch selbst spüren. In diesem Moment hat noch niemand so recht verstanden, was gerade passiert: Dass der Heilige Geist Gottes zu ihnen gekommen ist, um den Graben zwischen Gott und den Menschen zu überwinden. Petrus erklärt es den Leuten, dann ermuntert er sie: „Gebt Gottes Geist in eurem Leben Raum. Lasst euch taufen.“ Das tun an diesem Tag 3000, so erzählt es die Bibel. Diese Pfingstgeschichte beschreibt einen vollendeten Augenblick der Gemeinschaft und des gegenseitigen Verstehens. Und eine direkte Berührung mit dem Heiligen Geist Gottes.

 

Gemeinschaft ist ein wichtiger Aspekt von intensiven JETZT-Erlebnissen. Das hat die deutsche Rockgruppe Die Toten Hosen eindrücklich beschrieben. Ihr Lied „Tage wie diese“ erzählt vom Wiedersehen alter Freunde. Dabei werden JETZT-Momente zu Vorboten der Ewigkeit.

 

„Ich wart seit Wochen, auf diesen Tag und tanz vor Freude, über den Asphalt. Als wär's ein Rythmus, als gäb's ein Lied, das mich immer weiter, durch die Straßen zieht. Komm dir entgegen, dich abzuholen, wie ausgemacht zu derselben Uhrzeit, am selben Treffpunkt, wie letztes Mal. Durch das Gedränge, der Menschenmenge bahnen wir uns den altbekannten Weg. Entlang der Gassen, zu den Rheinterrassen über die Brücken, bis hin zu der Musik, wo alles laut ist, wo alle drauf sind, um durchzudreh'n. Wo die Anderen warten, um mit uns zu starten, und abzugeh'n. An Tagen wie diesen, wünscht man sich Unendlichkeit. An Tagen wie diesen, haben wir noch ewig Zeit. Wünsch ich mir Unendlichkeit.“

 

Wir ergründen mit fünf Fragen die intensiven JETZT-Erlebnisse. Die zweite Frage lautet: Wann und was ist überhaupt Jetzt?

Es ist der Moment, der eben jetzt ist. Und der eigentlich jetzt auch schon wieder vorbei ist, weil ihn ein neues Jetzt verdrängt hat. Was eben noch Jetzt war, ist jetzt schon Vergangenheit. Das Jetzt ist kurz, es dauert nur etwa 2,7 Sekunden. Das haben Forscher herausgefunden. Das, was wir im Durchschnitt als Jetzt erleben, als kompakten Moment, als emotionale und gedankliche Sinneinheit, das dauert ungefähr 2,7 Sekunden. Ganz schön kurz. Aber es passt zu dem, was wir aus anderen Bereichen wissen. 2,7 Sekunden – so lang ist ungefähr auch die kürzeste musikalische Sinneinheit. Und ungefähr so lange schauen wir auch am Straßenrand auf ein Plakat, bevor wir entscheiden, ob wir uns dafür interessieren oder nicht.

 

Vergangenheit und Zukunft sind lang. Aber die unmittelbare Gegenwart beträgt gerade einmal jenes etwa 2,7 Sekunden lange JETZT. Das ist zwar sehr kurz, aber es ist eine ungeheuer aktive Zeit. Sie verarbeitet die möglichen Jetzts der Zukunft zu Momenten der Vergangenheit. Im 2,7-Sekundentakt werden neue Jetzt-Optionen ausgewählt, gelebt und dann abgelegt. Sie landen in der großen Lagerhalle der Vergangenheit – eine riesige Halle voller ehemaliger Jetzts.

 

Und wie wird aus einem ganz normalen Jetzt ein besonders intensives JETZT-Erlebnis?

Darauf gibt es eine naturwissenschaftliche Antwort. Sie lautet: Durch Flow – übersetzt etwa: im Fluss. Aber der deutsche Fachbegriff für den Flow lautet eigentlich „Schaffens-Tätigkeits-Funktionslust“ – noch mal dieser komplizierte Begriff: „Schaffens-Tätigkeits-Funktionslust“. Die erlebt jemand, der das, was er gerade tut, besonders gerne tut. Er kann es auch, es fasziniert ihn, es erfüllt ihn und es fordert ihn ganz heraus. Oft erleben das Sportler im Wettkampf, Ärzte im Operationssaal oder Wissenschaftler bei einem wichtigen Experiment. Risikosportarten wie Drachenfliegen und Motorradfahren haben ebenfalls diesen Kick. Segler, Skifahrer und Tänzer gehen ebenfalls oft ganz im Hier und Jetzt auf. Auch wer intensiv meditiert oder betet, kann einen Flow erleben.

 

Allerdings. Sie alle nehmen das in diesem Moment gar nicht bewusst wahr. Dafür sind sie viel zu erfüllt von dem, was sie tun. Erst im Nachhinein verstehen sie, dass sie einen intensiven JETZT-Moment hatten.

 

Einen eigenen Blick auf den Flow haben die Religionen. Aus christlicher Sicht geht es darum sich für Gott zu öffnen, von seinem Geist berührt zu werden, eins zu werden mit Gott. Das sind Momente höchster Intensität und Konzentration. Zugleich sind es Momente innerer Leere. Sie machen einen ganz frei und offen für die Gegenwart. Diese Augenblicke dauern nur kurz. Aber in ihnen verliert die Zeit jegliche Bedeutung. Jedes Zeitgefühl wird außer Kraft gesetzt. Das Hier und Jetzt ist auf merkwürdige Weise verknüpft mit seinem Gegenteil, dem Für immer und ewig. Das spürt auch die Rockgruppe Die Toten Hosen in ihrem Flow-Erlebnis.

 

„Das hier ist ewig, ewig für heute. Wir steh'n nicht still, für eine ganze Nacht. Komm ich trag dich, durch die Leute. Hab keine Angst, ich gebe auf dich Acht. Wir lassen uns treiben, tauchen unter, schwimmen mit dem Strom. Dreh'n unsere Kreise, kommen nicht mehr runter, sind schwerelos. An Tagen wie diesen, wünscht man sich Unendlichkeit. An Tagen wie diesen, haben wir noch ewig Zeit. In dieser Nacht der Nächte, die uns so viel verspricht, erleben wir das Beste, kein Ende ist in Sicht.“

 

Warum ist die Sehnsucht nach dem intensiven JETZT-Erlebnis so groß? So lautet meine dritte Frage.

Mir scheint: Die Sehnsucht nach dem perfekten Moment, dem vollendeten Augenblick ist dem Menschen von Grund auf eigen. Er sehnt sich nach etwas, das er schon sehr früh verloren hat – vielleicht schon mit der Geburt. Damit meine ich dieses „Einfach da sein – ohne Bezug zu Raum und Zeit, ohne Distanz zum eigenen Leben.“ Mit der Geburt beginnt der Kampf um das Leben. Und bald tritt das Wissen hinzu, dass es einmal zu Ende sein wird.

 

Darum geht es in der vielleicht berühmtesten Geschichte der Bibel. Sie steht gleich am Anfang und entwirft das Bild vom Paradies, einem blühenden und immerwährenden Garten. Darin leben die Menschen zusammen mit Gott sorgenfrei vor sich hin. Doch damit können sich Adam und Eva, die biblischen Urahnen der Menschheit, nicht zufrieden geben. Sie wollen mehr. Deshalb essen sie vom verbotenen Baum der Erkenntnis. Dafür straft sie Gott, indem er sie verbannt – aus seiner Nähe, aus dem Garten, aus einem sorgenfreien Leben jenseits von Raum und Zeit.

 

Dieses Zerwürfnis mit Gott steckt jedem Menschen in den Knochen: Getrennt von Gott, getrennt von einem Rundumsorglos-Einfachdasein, hineingeworfen in ein schwieriges Leben, das auf den Tod zugeht. Und irgendwo in der Seele steckt eingebrannt das Wissen: „Es war einmal anders.“ Der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber hat dieses Drama in einem starken Satz zusammengefasst: „Gott ist die ewige Gegenwart, die wir nicht haben können.“ Zurückzukehren in diese ewige Gegenwart Gottes, zurück zu einem Ursprung, den die Seele bis heute erahnen kann – das wäre die Mutter aller JETZT-Erlebnisse. Die Sehnsucht nach diesem JETZT ist also ein Aufstand gegen die Vergänglichkeit. Und eine uralte Sehnsucht nach Ewigkeit, nach der ewigen Gegenwart Gottes.

 

„Wenn es da ist, werd ich feiern. Ich weiß, da ist noch mehr. Es liegt noch so viel vor mir. Ich lauf noch hinterher. Bis jetzt fühl ich nur die Hälfte von allem, was geht. Ich muss noch weitersuchen, weil immer noch was fehlt. Ich will sagen: So soll es sein. So kann es bleiben. So hab ich es mir gewünscht. Alles passt perfekt zusammen, weil endlich alles stimmt. Und mein Herz gefangen nimmt.“

 

Meine vierte Frage lautet: Wenn die Sehnsucht nach dem intensiven JETZT so uralt ist: Warum ist sie dann in den letzten Jahren so besonders stark geworden?

Mir scheint: Weil sie die einzige Währung für den Sinn des Lebens ist, die vielen heute geblieben ist. Früher gab es dafür noch andere Währungen. Da gehörte man einem Stand an, der gab einem Sinn und Halt. Man war Arbeiter, Bürgerlicher oder Adliger und war stolz darauf. Man war evangelisch, katholisch oder jüdisch. Was dazu gehörte, tat man und fand darin seinen Sinn. Dazu gehörte wohl auch, eine Hoffnung zu haben, die über den Tod hinausreichte. Davon konnte man sich noch ganz viel versprechen. Das Leben im Hier und Jetzt musste nicht alles bringen. Da reichte auch weniger. Heute legen viele alle ihre Erwartungen auf dieses Leben. Alles muss im Diesseits, also möglichst Jetzt, geschehen, weil die Jenseitshoffnung nicht mehr trägt.

 

Es gab früher noch weitere Währungen, die dem Leben Sinn gaben: Dazu gehören Disziplin, Arbeitsmoral und Geld. Möglichst viel davon zu haben bedeutete jeweils möglichst viel Sinn zu erleben. Doch diese Währungen sind weithin vergangen. Was geblieben ist, ist die Sehnsucht nach einem möglichst intensiven Leben. Für solche JETZT-Jäger wird jeder Moment, der scheinbar achtlos verstreicht, zu einem unwiederbringlichen Verlust.

 

JETZT-Jäger fürchten sich also davor etwas zu verpassen. Sie sehen die große Lagerhalle der vergangenen JETZT-Momente. Und sie sehen eine zweite Halle, in der lagern die künftigen Jetzts. Von ihnen werden allerdings viele niemals zum Zug kommen. Sie landen auf der Müllhalde für all das, was nicht gelebt wurde – verpasst, ausgelassen, abgelehnt. Das passiert ständig und überall. Auch jetzt. Wer jetzt Radio hört, entscheidet sich damit gegen eine CD, gegen den Fernseher und auch gegen die Stille.

 

Das mag banal klingen. Nicht der Rede wert. Aber das stimmt nicht. Denn darin steckt nach meiner Einschätzung ein großes Thema – gerade in Zeiten von Smartphones und Internet. Vielen Leuten fällt es heute schwer, mögliche JETZTs einfach verstreichen zu lassen. Sie wollen möglichst viele davon leben. Am liebsten alle. Nur nichts verpassen!

Aber das geht nicht. Wer es dennoch versucht, gerät unter einen enormen Druck, der leidet unter Erlebnisoptimierungsstress. Und der verhindert gerade das, was er anstrebt. Er verhindert die Konzentration auf das eine JETZT-Erlebnis, das vielleicht gerade möglich wäre. Wer nichts verpassen will, wird das wichtigste verpassen.

 

„Ich weiß nicht, wo du bist. Oder wo du wohnst. Aber eins ist sicher, dass es sich lohnt. Ich bete jede Nacht, dass ich dich finde. Und du sagst: So soll es sein. So kann es bleiben. So hab ich es mir gewünscht. Alles passt perfekt zusammen, weil endlich alles stimmt. So soll es sein, so kann es bleiben. Genauso ist es gut. Alles passt perfekt zusammen, weil endlich alles in mir ruht.“

 

Die fünfte und letzte Frage lautet: Kann man einen intensiven JETZT-Moment schaffen? Das ist offenbar schwierig. Sonst gäbe es dafür nicht ungezählte Ratgeber, psychologische Programme und Selbstoptimierungs-Trainings.

Unverzichtbar ist dafür wohl die Fähigkeit sich ganz auf eines zu konzentrieren. Vielen fällt das aber schwer. Sie sind im Kopf immer schon einen Schritt weiter: Beim morgendlichen Waschen denken viele schon an das Frühstück. Beim Frühstück bleiben die Gedanken nicht beim Essen, sondern sie sind schon bei der Arbeit. Bei der Arbeit eilen die Gedanken schon zum Feierabend. Abends beim Fernsehen checken viele nebenbei noch ihre Emails. Da hat es das JETZT ziemlich schwer. Und der Heilige Geist auch.

 

Die Religionen haben Methoden entwickelt, mit deren Hilfe man sich auf intensive JETZT-Momente vorbereiten kann. Dazu gehören Yoga und andere Formen der Meditation. Dazu gehören Gebete, die in die innere Versenkung führen können. In der muslimischen Kultur gibt es zum Beispiel den Tanz der Derwische. Die drehen sich so lange im Kreis, bis sie in einen religiösen Trance-Zustand verfallen. Christliche Orden haben Übungen entwickelt – Exerzitien. Zu ihnen gehören Übungen für Körper und Geist, Singen und Musik, das Schweigen und die Stille. Damit können sich alle Sinne und Gedanken ganz fokussieren. Man wird frei und offen für eine Begegnung mit Gott, für eine Berührung seines Heiligen Geistes.

 

Dass dies möglich wird, dafür kann man also einiges tun. Aber: Ob es dann auch passiert, das weiß niemand. Zuverlässig selbst erzeugen kann man ein JETZT-Erlebnis wohl nicht. Auch festhalten kann man es nicht. Es ist und bleibt ein vergänglicher Moment. Mir scheint sogar: Wer allzu eifrig nach dem intensiven JETZT sucht, wird es eher vertreiben.

 

Am Ende ist das intensive JETZT ein Geschenk. Für mich ein Geschenk Gottes. Sein Heiliger Geist weht, wo er will. Wenn er sich einmischt, dann entstehen Berührungspunkte mit Gott. Im Leben sind das immer nur Momente. Aber immerhin: Sie geben einen Vorgeschmack von dem, was noch möglich ist. Das wirklich intensive und dauerhafte JETZT wird man erst bei Gott erleben können. Gott ist das ewige JETZT.

02.04.2015
Pfarrer Stephan Krebs