Türsteher

Gedanken zur Woche
Türsteher
29.01.2016 - 06:35
27.12.2015
Pfarrer Stephan Krebs

„Ihr zwei kommt hier nicht rein!“ Ich war Student in Heidelberg, 21 Jahre alt. Mein Freund und ich wollten tanzen gehen. Wir standen vor einer Disco, aber der Türsteher ließ uns nicht hinein. Er betrachtete uns als Risikopersonen.

 

Dabei waren wir die harmlosesten Menschen überhaupt: beide wohlerzogen aus behütetem Hause, alkohol-frei, fernab aller Drogen und alles andere als gewaltbereit.

 

Aber für den Türsteher spielte es keine Rolle, wer wir zwei wirklich waren. Für ihn zählte nur eine Äußerlichkeit: Wir hatten lange Haare. Deshalb durften wir nicht hinein, denn – so begründete er: „Gestern hat ein Langhaariger die Tür eingetreten“.

 

Mein Freund fragte zurück: „Und was passiert, wenn heute ein Kurzhaariger ihre Tür eintritt? Kommt dann niemand mehr in die Disco?“ Diese Frage verunsicherte den Türsteher, er verlegte sich darauf aggressiv zu werden und uns ohne Argumente zu vertreiben.

 

Ich finde es bis heute interessant, wie dieser Türsteher seine schlechte Erfahrung mit einer Person verarbeitete. Er verallgemeinerte sie auf eine von ihm bestimmte Personengruppe. Dabei hätte er auch sagen können: „Gestern hat ein Mann die Tür eingetreten. Wir lassen heute keine Männer hinein.“ Oder: „Gestern hat jemand aus Hessen die Tür eingetreten. Wir lassen keine Hessen mehr rein.“ Oder ein 25jähriger war es, alle 25jährigen haben Hausverbot. Der Türsteher tat nichts davon und fokussierte sich stattdessen auf die langen Haare. Sie waren damals, Anfang der 1980er Jahre, in der Gesellschaft umstritten, wenn auch weit verbreitet.

 

So wie der Türsteher reagieren viele Menschen. Ich manchmal auch. Denn die Welt ist kompliziert. Sie in all ihrer Vielfalt zu verstehen, überfordert. Also vereinfachen wir sie uns mit Hilfe von Klischees. Dann wissen wir schon mal, was wir zu halten haben von den Blondinen, Jägern und Fußballfans… Von den Wessis und Ossis. Von den Holländern, Polen und Südländern. Übrigens: Auch die haben ihre Klischees – über uns Deutsche.

 

Der Comedian Mario Barth füllt ganze Fußballstadien mit solchen einfachen Klischees. Sein aktuelles Programm: „Männer sind bekloppt aber sexy.“ Und Zehntausende kommen. Im Lachen über die Klischees machen sie sich die Welt einfacher. Zumindest für einen Abend. Denn eigentlich wissen alle, dass sie nicht wirklich stimmen.

 

Solche Klischees sind harmlos, so lange man dabei über sich selbst lacht. Deutlich ärgerlicher sind sie, wenn sie zwei harmlose Studenten daran hindern in eine Disco zu kommen. Richtig schlimm werden sie, wenn sie Menschengruppen zur Zielscheibe von Verachtung und Aggression machen.

 

Spätestens dann wird es entscheidend wichtig, sich wieder daran zu erinnern: Eigentlich stimmen die Klischees nicht, denn sie werden dem einzelnen Menschen nicht gerecht. Immer wieder muss man sich selbstkritisch fragen: Bei wem tue ich das gerade? Bei wem nicht? Und: Warum tue ich das?

 

Die allzu-menschliche Lust an solchen Klischees wird in der Bibel gesehen. Die Risiken auch. Die Bibel sagt: „Ein Mensch sieht, was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz an.“ Ich finde: Das ist gerade in dieser Woche ein guter Merksatz dafür, den eigenen Urteilen über andere Menschen zu misstrauen. Insbesondere wenn es sich um eine ganze Gruppe handelt. Jeder Mensch ist einzeln zu sehen und zu beurteilen.

 

Daran hält übrigens auch unser Grundgesetz fest. Im Artikel drei heißt es: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“

 

Das ist leicht gesagt und im Alltag schwer getan. Wie bewahren Sie sich davor, andere Menschen anhand von Klischees zu beurteilen? Wenn Sie mit mir darüber sprechen wollen, dann können Sie mich sowie eine Mitarbeiterin bis 8 Uhr erreichen unter: 030 - 325 321 344. Oder diskutieren Sie mit, auf Facebook unter ‚deutschlandradio.evangelisch‘.

 

 

Bibelnachweis: 1. Samuel 16,7

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27.12.2015
Pfarrer Stephan Krebs