200 Jahre „Stille Nacht“

Morgenandacht
200 Jahre „Stille Nacht“
24.12.2018 - 06:35
13.09.2018
Thomas Dörken-Kucharz
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Heilig Abend zusammen! Stille Nacht allerseits!

 

Diese beiden seltsam und frech klingenden Begrüßungen sind Buchtitel! Sie zieren jeweils eine Sammlung bitterböser und sarkastischer Weihnachtsgeschichten. Und selbst sie nehmen Bezug auf das Lied, um das es gehen soll. Aber es stimmt ja: Wirklich berühmt ist man erst, wenn man oft parodiert wird. Und dieses Lied ist berühmt. Die Zahl der Parodien und Umdichtungen kenne ich nicht, aber das Lied selbst ist in über 300 Sprachen und Dialekte übersetzt: „Stille Nacht, heilige Nacht“. Unter zig Millionen Weihnachtsbäumen wird das Lied heute Abend wieder erklingen.

 

Zum ersten Mal war es heute vor 200 Jahren zu hören: Am 24. Dezember 1818 in Oberndorf im Salzburger Land. Heute das erfolgreichste aller Weihnachtslieder. Aber es spaltet auch. Für die einen ist Weihnachten ohne „Stille Nacht“ nicht Weihnachten. Den anderen ist genau dieses „Stille-Nacht-Weihnachten“ verhasst – und deshalb auch das Lied. Kitsch, Inhaltsleere und biederes Familienidyll lauten dann die Argumente. An der Biederkeit ist tatsächlich was dran, denn in der Biedermeierzeit ist es entstanden. Darüber lässt sich mit dem Abstand von 200 Jahren leicht spotten, den Menschen damals war nicht nach Spott zumute.

 

Nach den verheerenden napoleonischen Kriegen zu Beginn des 19. Jahrhunderts, der Restauration und politischen Neuordnung Europas 1815, herrschte endlich Frieden, Aber ein sehr brutaler Frieden, der alle bürgerlichen neuen Ideen unterdrückte. Und die politische Neuordnung bedeutete zum Beispiel in Oberndorf, das ein Stadtteil von Laufen an der Salzach war, dass es jetzt von der Stadt abgeschnitten ist. Laufen wurde bayrisch, Oberndorf gehörte zu Österreich. Und das Schlimmste: Die Salzach, der Fluss zwischen beiden Ortsteilen, wurde Grenzfluss. Und das bedeutete, dass der Salzhandel und die Salzschifffahrt ausgesetzt waren, von der viele Menschen in Oberndorf lebten. Außerdem war 1816 das sogenannte „Jahr ohne Sommer“. Ein Jahr zuvor war nämlich im Pazifik der Vulkan „Tambora“ ausgebrochen und seine Staubwolken verdunkelten weltweit die Sonne für Jahre. Die Folge waren Missernten und Hungersnöte auch in Europa. Es liegt nahe, sich da einen sicheren, fröhlichen und rettenden Ort zu wünschen und vorzustellen...

Und der Dichter des Liedes, der katholische Hilfsprediger Joseph Mohr, hatte ebenfalls allen Grund sich Familie idyllisch zu wünschen. Er war ein uneheliches Kind. Damals ein solcher Makel, dass Mohrs Priesterweihe die gesonderte Zustimmung des Papstes brauchte. Zwei wachende Eltern beim schlafenden Säugling – also die erste Strophe von „Stille Nacht“ – ein solches Familienglück, solche Aufmerksamkeit hat Mohr selbst nie erfahren.

 

Die historische und persönliche Situationsschilderung wird die Kritiker des Liedes nicht wirklich verstummen lassen, muss sie ja auch nicht. Um aber dem Lied gerecht zu werden, sollte man zumindest wissen, dass heutzutage nur eine verstümmelte und verbürgerlichte Version in den Gesangbüchern überliefert und allerorten gesungen wird. Das ursprüngliche Lied hat sechs Verse statt drei oder vier Verse. Und da ist nicht nur vom „holden Knabe im lockigten Haar“ die Rede, sondern von tiefen religiösen Hoffnungen des Weihnachtsgeschehens.

 

Ich finde, das Lied hätte es wenigstens an seinem 200. Geburtstag verdient, ganz zur Kenntnis genommen zu werden. Vielleicht singen oder summen Sie heute Abend mal alle sechs Strophen. In den ausgeblendeten Strophen vier und fünf heißt es:

 

Stille Nacht! Heilige Nacht!

Wo sich heut alle Macht Väterlicher Liebe ergoss

Und als Bruder huldvoll umschloss Jesus die Völker der Welt,

Jesus die Völker der Welt.

 

Die fünfte: Stille Nacht! Heilige Nacht!

Lange schon uns bedacht, Als der Herr vom Grimme befreit,

In der Väter urgrauer Zeit

Aller Welt Schonung verhieß, Aller Welt Schonung verhieß.

 

Gesegnete Weinachten!

 

Es gilt das gesprochene Wort.

13.09.2018
Thomas Dörken-Kucharz