Begrüßung mit Handschlag

Morgenandacht
Begrüßung mit Handschlag
10.07.2021 - 06:35
01.07.2021
Holger Treutmann
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Der Handschlag zur Begrüßung. Die Hand streckt sich nicht mehr automatisch dem anderen entgegen. Es lebt sich auch so recht gut. Ausweichende Verhaltensweisen sind inzwischen geübt. Ein bewussterer Blick ins Angesicht des Gegenübers, ein deutliches Nicken mit dem Kopf, oder bei besonderer Verbundenheit, die verschränkten Hände vor der eigenen Brust mit dem Bedauern im Gesicht – es wäre so schön! Männer üben schon mal den Kick mit der Faust oder den Ellenbogencheck. 

Wird sich unser gängiges Begrüßungsritual bleibend verändern, oder kehren wir nach der Pandemie – wenn es denn diese Zeit geben sollte - wieder zum Händeschütteln zurück, manchmal länger als es uns selbst lieb ist? Welche Formen wird das Protokoll bei internationalen Begegnungen vor den Kameras entwickeln, wo Bilder auch Botschaften senden sollen? Und hat Donald Trump etwa nur vorweggenommen, was heute in der Pandemie üblich ist, als er die angebotene Hand der Kanzlerin bei ihrem Besuch in Washington ins Leere fassen ließ?

Die Kultur des Händedrucks zur Begrüßung ist alt. Wo genau sie ihren Ursprung hat, ist schwer zu sagen. Schon in der Antike finden sich bildliche Darstellungen davon.  Auch in der Bibel ist von dieser förmlichen Art der Begrüßung oder des Abschieds die Rede. Anderen Religionen hingegen ist bereits das Händeschütteln suspekt, besonders zwischen Personen verschiedenen Geschlechts. Und sogar in einer religiös relativ ähnlich geprägten Kultur in Europa gibt es durchaus unterschiedliche Gepflogenheiten, etwa zwischen Frankreich und Norwegen. 

Viel deutlicher als noch vor zwei Jahren machen wir uns bewusst, wie Tröpfchen übertragen  und Schmierinfektionen durch den Händedruck begünstigt werden. Aber führt solch klinisch reines Abstandsgebot nicht auch zu einer Verflachung unserer Kommunikation? Bringt nicht schon ein schwacher oder kräftiger Händedruck auch etwas über mein Gegenüber zum Ausdruck? Überspringen wir mit dem Händeschütteln nicht auch eine erste Hürde und wagen Nähe, die eine gute Grundlage für weitere Gespräche und Verhandlungen schaffen können? Nicht umsonst gilt der Vertragsabschluss per Handschlag bis heute als sogar juristisch valides Versprechen in der Geschäftswelt.

Ich bin gespannt, ob weltweit wandernde Viren uns dazu bringen, ein Begrüßungsritual zu etablieren, das über alle kulturellen Grenzen hinausreicht. Die eigenen zusammengelegten Hände mit Verneigung vor dem anderen wären eine gute Möglichkeit, finde ich. Bringt diese Geste doch den Respekt vor meinem Gegenüber ebenso zum Ausdruck wie die Hochachtung vor allem Sein insgesamt. Wenn die flach vor der Brust zusammengeführten Handflächen aneinander gelegt werden, zeigt das an, dass Menschen ganz im Augenblick und in Verbindung sind. Die Hände sind ohne Waffen und leer. Sie wollen noch nichts. Sie zeugen vom Respekt vor sich selbst, deuten die gesuchte Nähe zum anderen an. Wenn dabei beide Handflächen mit den Fingerspitzen nach oben weisen, geben sie auch eine Ahnung von der Unverfügbarkeit des Augenblicks vor dem Angesicht des Höchsten. 

Für mich hat jede Begegnung immer auch eine religiöse Komponente. Menschen begegnen dem Ewigen auch und besonders durch die Begegnung zweier Menschen. Beim Gruß Elisabeths an ihre Nichte Maria ist das der Fall. Beim Gruß der drei Fremden, die unverhofft als Gäste vor dem Zelt von Abram und Sara stehen. Beim Gruß des auferstandenen Jesus, der sich in das Gespräch der Trauernden auf dem Weg einmischt und erst im Nachhinein als Gottes Sohn erkennbar wird.
 
Ich bin gespannt, ob der Händedruck zurückkehrt oder neue Gesten sich entwickeln, die den Respekt vor dem anderen üben, Nähe vermitteln und die erhoffte Gegenwart des Ewigen im Moment ohne viele Worte ausdrücken können. 
 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

01.07.2021
Holger Treutmann