David und Goliath

Morgenandacht
David und Goliath
28.01.2016 - 06:35
27.12.2015
Pfarrer Stephan Krebs

David gegen Goliath – so lautet die Überschrift in einer Zeitung. Der Artikel berichtet über einen peruanischen Kleinbauern. Er hat einen großen deutschen Energie-Konzern verklagt. Dieser soll Schadensersatz zahlen für seinen Anteil an den Klimaveränderungen. Konkret bedroht den Bauern ein schnell schmelzender Gletscher. Und so kämpft er als keiner Bauer gegen den großen Energie-Konzern wie einst David gegen Goliath. Schnell ist man geneigt, Partei zu ergreifen. Natürlich für den Kleinen und gegen den Großen.

 

David gegen Goliath – ursprünglich ist das eine Geschichte in der Bibel. Sie erzählt von einem Krieg der Israeliten gegen die Philister. Beide Armeen stehen sich kampfbereit gegenüber. Täglich geht ein Krieger der Philister zu den Israeliten hinüber und fordert einen von ihnen zum Kampf heraus. Der soll den Krieg entscheiden. Eigentlich sehr vernünftig. Warum sollen so viele sterben, wenn es auch einer ausfechten kann? Dumm nur, dass dieser eine eben Goliath ist, ein Riese, schwer gepanzert und bewaffnet. Gegen ihn anzutreten, traut sich kein Israelit zu. Bis David kommt – klein und schmächtig. Eigentlich ist er gar kein Kämpfer, sondern ein Hirtenjunge. Aber David stellt sich dem Kampf. Dabei setzt er nicht auf Stärke, sondern auf eine List. Mit einer Schleuder schießt David dem Goliath einen Stein gegen den Kopf und tötet ihn. Der kleine David hat den großen Goliath besiegt. Weil Gott auf seiner Seite steht, so stellt es die Bibel dar.

 

Diese Geschichte hat sich tief eingeprägt in die jüdisch-christliche Kultur des Abendlandes. Das Volk Israel erkannte darin sich selbst. Es war klein wie David, aber gerade deshalb war es von Gott auserwählt. „Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig“, das schreibt später auch der Apostel Paulus.

 

Die Sympathie für den kleinen David lebt bis heute fort. Zum Beispiel im Fußball. Ich gehöre auch zu denen, die sich freuen, wenn ein kleiner Verein gegen einen großen gewinnt, wenn der Außenseiter den Favoriten besiegt, auch wenn ich eigentlich gar kein Fan dieser Mannschaft bin.

 

David gegen Goliath – dieses Namenspaar ist zu einem geflügelten Wort geworden. Es wird gerne verwendet, wenn sich ein kleiner Einzelner mutig mit einer ganzen Institution anlegt. Die Sympathien sind dann klar verteilt. Sie gelten dem kleinen Einzelnen, dem man den Sieg über die große Institution wünscht.

 

Aber stimmt diese Rollenverteilung? Im Einzelfall sicher, denn Institutionen machen Fehler. Die müssen korrigiert werden.

 

Aber nicht jeder, der sich über eine Behörde beschwert, hat Recht. Nicht immer ist die Institution Kirche schuld, wenn ein einzelner nicht das bekommt, was er sich in den Kopf gesetzt hat. Im Übrigen hat auch nicht jeder Recht, der sich auf Gott beruft. Manchmal handelt es sich einfach nur um einen unverschämten Menschen, der die David-Sympathie gar nicht verdient.

 

Und sein angebliches Goliath-Gegenüber erweist sich bei näherem Hinsehen als eine Institution, die die Interessen der Allgemeinheit vertritt. Solche Institutionen sind unverzichtbar, denn sie machen das Leben verlässlich. Länder wie Libyen und andere zeigen, was passieren kann, wenn verlässliche Institutionen fehlen.

 

Unsere Gesellschaft in Deutschland hat solche verlässlichen Institutionen. Zum Glück! Noch – denn inzwischen mache ich mir Sorgen um sie. Längst sind sie nicht mehr die Goliaths, die man niedermachen muss. Ihnen stehen viele Bürger gegenüber, deren Denken, Handeln und Fordern von Individualismus geprägt ist. Der vermeintlich kleine David ist groß geworden. Das geschah auch in der Bibel. Aus dem kleinen Hirtenjungen wurde später ein machtbewusster König, der vor nichts zurückschreckte. Und den Gott in seine Schranken weisen musste.

 

David gegen Goliath – mit diesem Namenspaar werden manchmal also auch falsche Sympathien geweckt. Gilt das auch für den großen Energiekonzern, der des Klimawandels angeklagt wird? Auch das ist nicht so einfach. Denn dieser Energie-Riese versorgt Millionen Menschen mit Strom. Sie verlassen sich darauf, dass bei ihnen der Strom aus der Steckdose kommt. Wer ist also dieser Goliath? Zumindest zum Teil die Verbraucher, also wir.

 

Bibelnachweis: 1. Samuel 17

27.12.2015
Pfarrer Stephan Krebs