Fan-sein

Morgenandacht

Thomas Dörken-Kucharz

Fan-sein
Die Moderne bringt bis heute viele neue Formen des Fanseins hervor.
05.02.2022 - 06:35
28.01.2022
Thomas Dörken-Kucharz
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Es waren wohl vor allem junge Damen, die sich zusammenschlossen, um ihr gemeinsames Idol zu unterstützen. Sie verabredeten sich allwöchentlich zu gemeinsamen Theaterbesuchen. Und zwar zu Aufführungen, bei denen der Schauspieler Lewis Waller mitspielte. Oft sahen sie dasselbe Stück mehrfach, Hauptsache ihr Idol trat auf. Und sie bejubelten ihn. Außerdem trugen sie immer ein Abzeichen mit seiner Lieblingsblume darauf, einem Gänseblümchen. Das Abzeichen machte ihre Zugehörigkeit deutlich: Sie waren Mitglieder des Ordens der Walleriten. Heute vor 120 Jahren gründeten sie diesen „Orden“. Er gilt als der erste Fan-Club der Welt.

Das Phänomen ist wohl älter als der erste Fanclub. Aber die Moderne bringt bis heute viele neue Formen des Fanseins hervor. Radio und Fernsehen ermöglichen eine vielfache Verbreitung und die weltweite Teilnahme an Kultur- oder Sportevents. Und das fördert den Kult um Stars, Celebrities, und die Paparazzi rund um die Promis. Das Internet sorgt auf seine Weise dafür, zum Beispiel durch die Gruppen und Fanpages in den sozialen Medien. Oder durch Onlinespiele mit Millionen Mitspielenden, die sich verabreden und organisieren. Manche kleiden sich so wie ihre Helden im Computerspiel oder der Fernsehserie – Das nennt man Cosplay, costume and play. Es gibt viele Spielarten des Fanseins.

Fans finden Gleichgesinnte und Freunde und vielleicht auch Partnerin oder Partner. Als Fan darf man emotional sein. Als Fan kann man anders sein. Fans dürfen auch über die Stränge schlagen, zumindest ein wenig. Es gibt ekstatische Momente. Man kann sich als Teil einer Bewegung fühlen, man gehört dazu. Das sind nur einige Facetten.

Fansein hat viele Parallelen zum Religiössein, zum Christsein. Schon der Begriff „Fan“ ist die Kurzform von „fanaticus“ und heißt wörtlich übersetzt „von einer Gottheit ergriffen“. Auch sonst ist Fansprache religiös aufgeladen, man ist „begeistert“ oder frönt seinem „Kult“ um das Idol. Fanartikel sind eigentlich Devotionalien. Manchmal werden sie auf kleinen Altären aufgebaut. Die Intensität des Ergriffenseins ist bei Fans unterschiedlich: Ultras sind glühende Fußballfans, andere schwärmen vielleicht nur für eine Künstlerin oder ein Popidol. Fansein ist toll: Anhimmeln, schwärmen, folgen, verehren. Der wahre Fan kann sogar leiden mit seinem Idol oder seinem Verein.

Auch wenn ‚fanaticus‘ ursprünglich ein religiöser Begriff ist, es gibt einen Unterschied von Fan-sein und Christsein. Religion beschäftigt sich auch mit den letzten Dingen, Fansein sollte sich davor, im Vorletzten abspielen. Fansein macht Spaß, wenn es ein Spiel bleibt, gern ein ernsthaft betriebenes Spiel, aber ein Spiel.

Religion beinhaltet immer einen Wahrheitsanspruch. Sie begleitet in Krisen, bis in den Tod und über den Tod hinaus. Ich kann als Treckie, also als Fan von Raumschiff Enterprise, zwar in nervenden Situationen sagen „Beam me up, Scotty!“. Das aber mache ich spielerisch und augenzwinkernd und bringe so Humor in meine Situation und mein Leben. Denn Rettung kann ich von meinen Filmhelden nicht erwarten. „Beamen“ geht nämlich nicht.

Gut besuchte Kapellen in den Fußballstadien und Fanandachten zeigen, dass viele Fans ganz selbstverständlich um diesen Unterschied wissen. Dass wir fröhliche Fans sein können und dürfen, setzt nämlich eines voraus: Gott ist Freund, Förderer, Mäzen – und Fan der Menschen. Gott ist mein Fan und ihr Fan. Und viel mehr als das. Sonst wären wir nicht und könnten auch nicht Fans sein.

Es gilt das gesprochene Wort.

 

 

28.01.2022
Thomas Dörken-Kucharz