Lärm und Stille

Morgenandacht

Thomas Dörken-Kucharz

Lärm und Stille
03.02.2022 - 06:35
28.01.2022
Thomas Dörken-Kucharz
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Die Fenster sind zum Glück ganz gut, denn ich wohne relativ laut. Nah an einem großen Bahnhof und einer viel befahrenen Bahnstrecke, die Flugzeuge landen 5 km weiter und eine Autobahn ist auch in Hörweite. Stille ist etwas anderes. Dafür wohne ich verkehrsgünstig. Das ist manchmal ein schwacher Trost, denn Lärm ist nicht gesundheitsfördernd und wird zumindest gefühlt immer mehr, immer technischer, immer unvermeidbarer. Doch neu ist das Phänomen nicht.

Vor 150 Jahren wurde Maximilian Negwer geboren. Um die Jahrhundertwende ging dem Apotheker der Lärm der aufstrebenden Großstadt Berlin gewaltig auf die Nerven und er suchte nach einer Lösung. Die Idee zu ihr stammt aus der Odyssee des Homer. Bei seiner Irrfahrt auf dem Meer suchte Odysseus Schutz vor dem betörenden Gesang der Sirenen, die alle Schiffe in den Untergang lockten. Er ließ sich am Mast seines Schiffs festbinden - und seiner Mannschaft ließ er mit Bienenwachs die Ohren verschließen. So entkam Odysseus den Sirenen und so wurde Maximilian Negwer der Erfinder des Ohropax. Das gibt es seit 1907 auf dem Markt Das Original sind kleine ovale Knubbel, die großteils aus Wachs bestehen und die man sich in die Ohren steckt. Nicht ganz angenehm, aber hilfreich. Bis heute hilft das Wachs im Ohr auf der ganzen Welt Menschen, die nicht schlafen können, denen der Nachbar, die Baustelle, der Fluglärm oder was immer zu laut sind. „Hast Du Ohropax im Ohr, kommt dir Lärm wie Stille vor“ lautete der Werbespruch 1928. Und bis heute werben Ohrstöpsel mit dem Versprechen von Stille und Ruhe, aus der man Kraft schöpft. Mein eigenes Mittel gegen Lärm ist inzwischen digital, ein Kopfhörer mit NoiseCanceling, mit Geräuschunterdrückung. Aber das funktioniert nur am Tage. Denn schlafen kann ich mit Kopfhörern auf den Ohren nicht.

Kopfhörer verführen freilich dazu, eigenen „Lärm“ zu machen. Sie unterdrücken zwar fremde Geräusche, aber man hört dann dauernd Podcast, Radio oder Musik. Das ist ja auch schön, informativ, wichtig. Aber ich ertappe mich dabei, dass ich oft sowohl dem Lärm als auch der Stille entfliehen will. Einerseits will ich keinen Lärm, andererseits gefällt es mir oft auch nicht, wenn nur Ruhe ist.

In der Bibel finde ich eine Geschichte über Lärm und Stille. Der Prophet Elia musste vor seinen Feinden in eine einsame Höhle fliehen. Er ist ziemlich enttäuscht von seinem Gott, fühlt sich im Stich gelassen. Deshalb möchte er Gott gern begegnen, auch um ihm gehörig die Meinung zu sagen. Und Gott lässt ihn wissen, dass er zu ihm kommt.

Die Bibel erzählt: Elia steht im Höhleneingang und zunächst zieht ein Sturm auf. Dann kommt ein Erdbeben, gefolgt von Feuer. Drei bildgewaltige Szenarien. Naturgewalten, Spektakel mit Lärm, Action, Happening. Doch die ziehen alle vorüber. In diesem ganz Monumentalen ist Gott nicht. Und dann heißt es:

„Nach dem Feuer kam ein sanftes, feines Flüstern“ (1Kön 19,12).

Darin kommt Gott und spricht mit Elia.

Dieses sanfte, feine Flüstern ist für mich ein Versprechen der Stille. Nicht in jeder Stille flüstert Gott. Aber im Lärm, der auf mich einströmt oder den ich selbst verursache, ist eine leise Stimme nur schwer zu vernehmen. Um Gottes Stimme - oder die Stimme des Gewissens - zu vernehmen, muss ich Hinhören. Lauschen. Zuhören. Verstehen.

Mir helfen dabei ein paar einfache Dinge. Stille – manchmal auch mit Hilfe von Ohrstöpseln - eine Kerze, ein Notizbuch. Und ich lese in der Bibel.

Es gilt das gesprochene Wort.

 

 

28.01.2022
Thomas Dörken-Kucharz