German Angst

Morgenandacht

Gemeinfrei via unsplash/ Rona Lao

German Angst
21.06.2022 - 06:35
29.01.2022
Annette Bassler
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Die Sendung zum Nachlesen: 

„German Angst“. Das sagen unsere europäischen Nachbarn über uns. Sie meinen, wir als Deutsche hätten ein besonderes Verhältnis zur Angst. Deshalb würden wir weniger riskieren und wären übertrieben vorsichtig in unseren Entscheidungen.

Nun weiß ich nicht, wie ein normales, angemessenes Verhältnis zur Angst aussieht. Ich weiß nur: Derzeit haben wir in Europa Grund genug, Angst zu haben. Denn wir wissen nicht, wie sich der schreckliche Krieg in der Ukraine weiterentwickelt. Wir wissen nicht, wie wir mit der heraufziehenden Hungersnot fertig werden. Ganz zu schweigen vom fortschreitenden Klimawandel.

„In der Welt habt ihr Angst. Aber siehe, ich habe die Welt überwunden, “ hat Jesus zu seinen Freunden gesagt. Die hatten große Angst um ihn und dass ihr gemeinsames Leben zu Ende gehen würde.

Jesus sagt von sich nicht, dass er die Angst überwunden hat. Aber die Welt, die hinter der Angst steht und diese Angst befeuert, die hat er überwunden. Oder anders gesagt: die Angst hat ihn nicht mehr im Griff.

Ist da was dran an der „German Angst“? Dass uns die Angst im Griff hat- mehr als andere? Ich glaube schon. Als Kind jedenfalls war ich umgeben von viel Angst. Meine Tante zum Beispiel hatte oft Angst. Besonders wenn es Gewitter gab. Da hat sie uns Kinder vom Fenster weggezogen. Und wenn es gedonnert hat, saßen wir zitternd an der Wand. Irgendwann haben wir Physik gelernt. Dass Donner zwar laut, aber nicht gefährlich ist. Und dass das Haus einen Blitzableiter hat. Meine Tante wollte das alles nicht hören. Bis ihr irgendwann klar wurde, dass es gar nicht um den Donner ging, sondern um die Bomben. Jedes Gewitter hat in ihr die Erinnerung an die Bombennächte hervorgeholt. Die sie als Kind zitternd im Keller verbracht hat. Von dieser „German Angst“ bin ich geprägt und viele, die nach dem Krieg geboren sind.

Meine Tante hat mich motiviert, das mit der Angst anders anzugehen. Ich wollte wissen, wie Jesus das gemeint hat. Die Welt überwinden. Dass einen die Angst nicht im Griff hat, Wie hat er das gemacht?

Zwei Dinge sind mir dabei aufgefallen. Sein Mut und sein Vertrauen.
Jesus hat die Gefahr nicht gesucht. Aber wenn sie da war, ist er nicht weggelaufen. Er hat sich den Konflikten mit den Mächtigen gestellt. Hat gemacht, wovon er überzeugt war, auch wenn andere ihn deswegen angegriffen haben.

Diesen Mut aber, den hat Jesus nur gehabt, weil er tiefes Gottvertrauen hatte. Er war überzeugt, dass Gott da ist, wenn er ihn braucht. Dass er ihn auffängt, wenn er fällt. Und ihn mit Liebe umfängt, wenn seine Seele verwundet ist.

Mut und Gottvertrauen. Die hat mir in angstvollen Situationen immer geholfen. Ich hatte große Angst vor Prüfungen. Also habe ich mich ihnen gestellt. Ich hatte Angst, mich vor anderen zu blamieren. Also habe ich in der Öffentlichkeit geredet, habe in der Kirche und auf dem Friedhof vor vielen Menschen gesprochen.

Einmal sollte ich eine Beerdigung halten. Eine junge Mutter von drei Kindern war gestorben. Aus Angst vor der Situation am Grab habe ich mir jedes Wort aufgeschrieben. Und tatsächlich war der Friedhof voll von jungen Familien als ich kam. Ihr Schmerz war groß. Also ziehe ich in der Sakristei meinen Talar an, greife nach meinem Manuskript und merke, ich hab alles zu Hause liegen lassen. Zu spät, es noch zu holen.  

„Lieber Gott, wenn du willst, dass ich jetzt nicht tot umfalle, dann sei bei mir.“ Mit diesem Stoßgebet habe ich die Tür geöffnet und raus zur Trauergemeinde hinausgegangen. Es war so, wie Hilde Domin das in einem Gedicht beschrieben hat: „Ich setzte meinen Fuß in die Luft und siehe, sie trug!“

Ich weiß nicht mehr, was ich gesagt habe, aber die Trauernden haben mir hinterher für meine Worte gedankt. Und ich weiß jetzt, dass Mut und Gottvertrauen hilfreich ist gegen sowas wie „German Angst“. Ein Kirchenlied hat das in wunderbare Worte gefasst. Es geht so:


Du kannst nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand,
die er zum Heil uns allen barmherzig ausgespannt.
Wir sind von Gott umgeben auch hier in Raum und Zeit
und werden in ihm leben und sein in Ewigkeit.
  

                                     

Es gilt das gesprochene Wort.

 

 

29.01.2022
Annette Bassler