Helfen hilft

Ankunft der Kriegsfluechtlinge aus der Ukraine am Muenchner Hauptbahnhof (Foto vom 15.03.2022).

epd-bild/Klaus Honigschnabel/Klaus Honigschnabel

Ankunft der Kriegsfluechtlinge aus der Ukraine am Muenchner Hauptbahnhof (Foto vom 15.03.2022). Die Zahl der in Deutschland ankommenden Kriegsfluechtlinge aus der Ukraine steigt weiter. Bislang seien 174.597 Fluechtlinge festgestellt worden, teilte das Bundesinnenministerium am Mittwoch mit. Die Zahl wird von der Bundespolizei ermittelt, die derzeit verstaerkte Kontrollen durchfuehrt. Die tatsaechliche Zahl kann aber hoeher sein, weil es an der deutsch-polnischen Grenze keine regulaeren Kontrollen gibt und sich Menschen mit ukrainischem Pass zunaechst fuer 90 Tage frei in der EU bewegen koennen. Sie muessen sich erst registrieren, wenn sie staatliche Leistungen beantragen. Erst dann kann ihnen auch ein Wohnort zugewiesen werden. Die Verteilung der Fluechtlinge durch den Staat geschieht momentan auf freiwilliger Basis. (Siehe epd-Meldung vom 16.08.2022) *** Local Caption *** 00463482

Helfen hilft
Isabel will mehr tun und selbst anpacken
18.03.2022 - 06:35
06.01.2022
Ulrike Greim
Über die Sendung

Die Gedanken zur Woche im DLF.

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Was muss eigentlich passieren, dass wir uns als Menschen zeigen, fürsorglich, empathisch – und hilfreich, wo immer wir können?

Für Isabel hat es gereicht, die Bilder im Fernsehen zu sehen.

„O.k.“ hat sie gesagt, „ich ertrag das nicht, hier zu sitzen. Ich will hinfahren, will sie unterstützen, den Leuten unter die Arme greifen.“

Isabel sprudelt nur so auf die Frage, warum sie einen Hilfstransport organisiert hat. „Ich will einfach aktiv sein.“

Sie hat herumgefragt, ob jemand einen Transporter hat.

Hat in Chat-Gruppen der Schule geschrieben, dass sie fährt, dass sie Matratzen mitnehmen will, Schlafsäcke.

Hat im Internet geguckt, wo es Vereine gibt, die so etwas schon machen.

Im Netz fand sie ein Deutsch-Ukrainisches Forum, schrieb gleich eine Mail hin. Jörg Drescher mailte zurück. Er saß in Kiew.

„Das war schräg,“ sagt sie „Er hat ganz normal geantwortet, obwohl er im Bunker sitzt und Raketen hört.“

Isabel fragte, was wirklich hilft. Was sie von Thüringen aus machen kann. Er erzählt von einem Logistiklager, das sie gerade an der polnisch-ukrainischen Grenze aufbauen, einen Umschlagplatz für Hilfstransporte.

Also schaut sie auf der Karte, wo diese Stadt mit dem unaussprechlichen Namen „Przemysl“ liegt und wie lange sie dorthin brauchen würde. Und schreibt Listen, was da gebraucht wird. Sie wollte nicht der hundertste Tisch sein, der Tee verteilt.

Eigentlich arbeitet Isabel in einer Bank. Und sie weiß ja – am schnellsten laufen Geldspenden an die großen Organisationen, die können dafür gezielt einkaufen und konzentriert Transporte in die Ukraine schicken.

Aber sie will mehr tun. Selbst anpacken.

Und dafür muss sie nicht einmal Urlaub nehmen. Die Bank gibt jedem Mitarbeitenden einen Freiwilligentag pro Jahr für ein soziales Projekt. Die Kollegen spenden Isabel ihren Freiwilligentag, so kann sie die ganze Woche fahren.

Sie sammelt Matratzen, Schlafsäcke, Decken, Hygieneartikel, Wintersachen, Spielzeug, Batterien, Taschenlampen, Kerzen.

Ein Feuerwehrmann kommt mit und die große Tochter. Sie fahren mit zwei Transportern. „Dann kann ich auch Leute mit zurückbringen nach Deutschland.“

Bevor sie losfährt, lädt sie der Pfarrer in den Gottesdienst ein. Sie ist nicht sonderlich kirchlich gebunden, aber sie kommt. Erzählt der Gemeinde von Jörg aus Kiew. Etliche Tränen rollen. Und der Pfarrer segnet sie: „Schutz und Schirm vor allem Bösen, Stärke und Hilfe zu allem Guten, dass du bewahrt wirst auf deinem Weg. Friede sei mit dir.“

Sie fährt los. Die Herzen vieler fahren mit.

Dann kommt sie an, in Przemysl. Sie schickt Bilder und Videos. 3.000 Menschen in einer Halle. Dicht an dicht auf Liegen. Es ist laut. Menschen sind gestresst. Kinder schlafen im Gehen ein, weil sie so k.o. sind. Aber: Alle Sachen werden kompetent entgegengenommen, alles scheint ziemlich strikt organisiert.

Und dann sind da zwei ukrainische Frauen mit drei Kindern. Sie reden lange. Sie fassen Vertrauen. Weimar? O.K., Weimar. Sie steigen ein. Und fahren mit. Ins Unbekannte. Obwohl sie eigentlich nicht weit weg wollen. Hier, an der Grenze, fühlen sie sich ihren Männern und der Heimat noch nah.

Nun sind sie da. In Thüringen. Leben jetzt in einer Neubauwohnung, die Isabels Tochter für sie geräumt hat. Isabel geht mit ihnen einkaufen und erklärt alles.

Ob sie keine Angst habe, dass es schwierig wird, wenn die erste Euphorie vorbei ist, frage ich sie. „Nein,“ sagt sie entschieden. „Ich weiß, worauf ich mich einlasse, ich habe vor zwei Jahren eine iranische Familie begleitet. Habe 400 E-Mails geschrieben, dann haben sie Papiere bekommen und konnten bleiben. So schnell geht mir die Puste nicht aus. Außerdem: Wir sind ja viele. Wenn jeder ein bisschen Zeit gibt, ist es nicht so schwer.“

Stärke und Hilfe zu allem Guten, hatte es im Segen geheißen.

Es gilt doppelt. Helfen, dass der Segen ankommt, wo er hingehört. Und dass wir Menschen bleiben –  fürsorglich, empathisch und hilfreich. Wo immer wir können.

Es gilt das gesprochene Wort.

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06.01.2022
Ulrike Greim