Kinder der Welt

Morgenandacht

Gemeinfrei via unsplash/ Flávia Gava

Kinder der Welt
22.06.2022 - 06:35
29.01.2022
Annette Bassler
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Vor drei Monaten ist sie auf die Welt gekommen. Mit allem, was dazugehört: 5 Fingerchen an jeder Hand und fünf winzigen Zehen an jedem Fuß.

Ihre Eltern haben es gar nicht fassen können. So lange haben sie sich ein Kind gewünscht, so lange sind sie enttäuscht worden in ihrer Hoffnung. Und jetzt ist es da. Als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. Sie halten es im Arm, umgeben es mit ihrer Liebe. Eine Insel des Glücks. Langsam haben sie anderen Zutritt gegeben zu ihrer Insel des Glücks. Mir auch. Und alle, die sich über das Gesicht des Kindes gebeugt haben, alle haben sie angefangen zu strahlen. Vor Rührung und vor Glück.

Dabei ist ihre Insel des Glücks von Anfang an umbrandet von Schockwellen. Nachrichten über Kriegstote nur 1000 km entfernt, Getreide, das zerstört wird, Menschen, die jetzt schon hungern. Und dann gibt es ja auch noch diese Pandemie.

Kann man in diese Welt Kinder setzen? Diese Frage höre ich, seit ich denken kann. Auch als es noch keinen Krieg und keine Pandemie gegeben hat. Was muten wir unseren Kindern zu? Und uns, die wir sie ein Leben lang begleiten wollen?

Die frisch gebackenen Eltern lassen sich nicht irritieren. Sie verteidigen ihre Insel des Glücks - entschieden und fröhlich. Verteidigen die Insel vor Katastrophennachrichten und vor aufdringlicher Verwandtschaft. Ihre Nächte sind kurz, aber ihr Atem ist lang und ihre Liebe unendlich.

Jede Geburt ist ein bisschen wie Weihnachten. Und Weihnachten ist auch wie jede Geburt. In einem halben Jahr feiern wir das Kind in der Krippe. Das ist auch mit einem Schrei auf die Welt gekommen. Mit 5 Fingerchen an jeder Hand und fünf winzigen Zehen an jedem Fuß. Und mit einem zerknautschten Gesicht hat es sich ins Leben geschrien. Da bin ich!
 

Seine Eltern haben es auch nicht fassen können. Sie hatten kein Kind geplant. Und er hätte sie um ein Haar verlassen. Aber dann kam das Kind und alles war vergessen. Ihr Rooming-in-Wochenstrohbett war nicht gerade komfortabel. Von Hygiene und Sicherheit in einem Stall ganz zu schweigen. Und dann hat der damalige König alle Neugeborenen umbringen lassen. Weil er um seine Macht gefürchtet hat in dieser aufgeheizten Vorkriegs-Zeit.

So ist die Welt. Und so ist Gott in die Welt gekommen. Hat sogar einen ganzen Stall zum Strahlen gebracht mit all den Sternen und Engeln drüber. Und den Hirten und Gelehrten und Kindern, die anfingen zu strahlen über dem Kind.

Seitdem kommt in jedem neugeborenen Kind Gott selber in die Welt. Seitdem hängt unser Glück an dem Glück unserer Kinder. Wie wir mit ihnen umgehen, ob wir sie annehmen und aufnehmen, die Kleinsten und Schwächsten unter uns. Seit Weihnachten mutet Gott uns zu, unsere Welt auf den Kopf zu stellen. Das Kleine groß zu achten. Und das Große eher kleiner. Das Schwächste zu ehren und das Starke in seine Schranken zu weisen.

Jedes neugeborene Kind erzählt uns davon, dass wir das Wertvollste auf der Welt nicht kaufen und auch nicht machen können. Wir können es nicht mal erarbeiten. Es ist und bleibt ein Geschenk. Und es ist mit Schmerzen verbunden. Mit Geburtsschmerzen, Herzschmerzen, Wachstumsschmerzen, Abschiedsschmerzen. Ein Kind zu bekommen, tut immer weh. Es gehen zu lassen auch. Unsere Kinder machen uns verletzbarer.

Viele spüren, dass ein fast sicher geglaubtes Gefühl von Frieden brüchig geworden ist. Die Herausforderungen sind so komplex, dass einem schwindelig wird.

Aber die jungen Eltern haben einen langen Atem. Ihre Nächte sind kurz, aber ihr Atem ist lang und ihre Liebe unendlich. Weil es dieses Kind gibt. Und solange es Kinder gibt, solange wir einander diese Welt zumuten, solange ist Hoffnung in der Welt. Wir brauchen unsere Kinder. Und wir brauchen das Kind in uns, das wir selber einmal waren. Das uns daran erinnert, was wirklich wichtig ist. Und dass man das nicht kaufen und nicht erkämpfen kann. Nur sich schenken lassen. Und dann liebhaben.

Es gilt das gesprochene Wort.

 

 

29.01.2022
Annette Bassler