Ruach spielt gern

Morgenandacht
Ruach spielt gern
06.03.2021 - 06:35
23.02.2021
Ulrike Greim
Sendung zum Nachhören

Die Sendung zum Nachlesen: 

Er ist da, als die junge Frau mit den zwei kleinen Kindern aus dem Supermarkt kommt und sich die Maske vom Gesicht reißt. Da sehe ich ihn. Die Frau atmet auf, bleibt kurz stehen und zieht einmal kräftig Luft durch die Nase, dann senken sich entspannt ihre Schultern.
Dann sehe ich ihn wieder, als der Herr im Anzug und dezent schwarzem Mantel nach drei Stunden Zugfahrt aus dem Bahnhof kommt, die Maske unters Kinn schiebt und durchatmet. Er genießt die frische Luft, schließt die Augen, die Sonne scheint auf sein Gesicht. 
Ich sehe ihn bei dem Sprinter im Park, der eben an der Bank anhält, sein Bein hochlegt und dehnt. Weil es kalt ist, sehe ich ihn besonders gut, weil er kleine Wölkchen macht: der Atem. 

Dieses Dings, dieses hohe Gut, dieser besondere Gast, der Windhauch, Ruach im Hebräischen, da gleich mit mehreren Bedeutungen: Geist und Kraft.
Dann sehe ich ihn wieder, im Park auf dem Spielplatz. Da stehen diese drei Knirpse, haben irgendetwas Winziges, Witziges gefunden, und lachen sich kaputt. Alle drei. Und dann auch die Eltern, die dazukommen. Da weht er ganz ordentlich. Hui.
Ich sehe ihn bei dem Jungen im Neubaublock, Erdgeschoss. Homeschooling sieht anders aus. Er steht gelangweilt am Fenster, beobachtet die Leute und geht dann mit dem Mund nah an die Scheibe und haucht winzige Wassertröpfen auf die Scheibe und malt ein Herz hinein. Er guckt dabei verträumt. Dann wischt er alles weg. 

Ruach, der Wind, der Atem. Überall schwirrt er herum. Treibt die Boote auf dem See an, be-wegt Windräder und spielt mit den Blättern an den Bäumen, die – wie die Pappeln – sogar in die Hände klatschen, wenn er kommt. 
Ich sehe ihn bei dem Neugeborenen, wenn es gerade auf die Welt kommt und es hat die Augen noch zu und dann kommt er – und das Baby tut den ersten Zug. 
Ich sehe ihn bei den Verliebten, die sich eng aneinander kuscheln und erregt werden nur durch den Atem des Geliebten. Ruach ist geheimnisvoll, wunderbar. Der Atem Gottes.
Wo er überall herumstreunt!

Seit Jahrtausenden weht er. Stammvater Jakob kannte ihn. Seine Geschichte zeigt: Gottes Atem ist mit unserem Atem verbunden. 
Es ist ziemlich gegen Ende seines Lebens. Da ist er alt und lebensmüde. Seinen Augenstern, seinen Sohn Josef, hatte er verloren, glaubte er, an wilde Tiere. Und seitdem geht es mit der großen Sippe bergab. Hungersnot. Jakob weiß nicht, wie er seine Leute ernähren soll. Da er-fährt er, dass im großen Ägypten Vorräte sind, dass da womöglich einer ist, der Mitleid mit ihnen haben würde und ihnen abgibt. Er schickt seine Söhne hin, um zu fragen. Sie erfahren, dass der Bruder, den sie verraten und verkauft haben, Josef, lebt. Dass er dieser wichtige eine Mann in Ägypten geworden ist, und dass er ihnen helfen wird. Mit dieser Nachricht kehren sie nach Hause zurück. 
Sie sagen dem Vater: Josef lebt. Er ist in Ägypten an prominenter Stelle. Wir sollen dir viele Geschenke mitbringen. Er schickt auch einen Wagen, dich zu holen. Jakob ist zu viel Leid ge-wohnt. Er glaubt ihnen nicht. Sein Herz bleibt kalt, heißt es.

Aber nun kommt Ruach. Die Söhne sagen ihm alles, was Josef gesagt hat. Und der merkt, dass es stimmen kann. Dass sich das große Leid seines Lebens gerade dreht. Der Ruach Jakobs wird lebendig, heißt es da. Die Energie kehrt wundersam zurück. Der Atem wird schneller. Jakob hofft wieder. Er sagt: „Mir ist es genug, dass mein Sohn Josef noch lebt; ich will hin und sehen, ehe ich sterbe.“ (Genesis 45)
Da weht er. Wie geheimnisvoll. Ruach ist der Atem Gottes in uns. Er schickt ihn, und wir wer-den lebendig. Er nimmt ihn, und der Mensch stirbt.
Er ist die gute Energie. Ruach weht und führt uns weiter. 
Gottes guter Atem, komm als frischer Wind vom Meer, heile unseren Atem. Lass uns aufleben, durchatmen, hoffen und gesund werden, lachen und lieben.
 

 

Es gilt das gesprochene Wort.

23.02.2021
Ulrike Greim