Work-Life Balance

Morgenandacht

Gemeinfrei via unsplash/ Nathan Hulsey

Work-Life Balance
20.06.2022 - 06:35
29.01.2022
Annette Bassler
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Die Sendung zum Nachlesen: 

In diesem Jahr hat unser Apfelbäumchen überbordend geblüht. Jeden Morgen habe ich meine Nase in die Blüten gesteckt und mich auf die vielen Äpfel gefreut.

Das Apfelbäumchen habe ich vor zwei Jahren gepflanzt. Als in Bologna die Lastwagen mit den Särgen aus der Stadt fuhren und wir alle zu Hause bleiben mussten. Wegen eines unbekannten Virus und der Sorge vor Ansteckung. Da fiel mir der Satz ein, der Martin Luther zugeschrieben wird. Dass man heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen soll, wenn morgen die Welt untergeht.

Dass vom Virus die Welt untergeht, habe ich nicht geglaubt. Aber etwas von meinem Lebensgefühl ist tatsächlich untergegangen. Eine Art von Sorglosigkeit. Dass alles irgendwie schon gut wird.

Also: Apfelbäumchen pflanzen. Logisch ist das nicht. Wozu etwas für die Zukunft pflanzen, wenn die Welt untergeht und es also gar keine Zukunft gibt? Aber egal- ich bin zur Gärtnerei, habe das schönste Bäumchen ausgesucht und es feierlich in die Erde hinterm Haus gepflanzt. Das war mein stiller Protest. Nach dem Motto: Jetzt erst recht!

Seitdem begleitet mich das Apfelbäumchen. Durch die Pandemie und jetzt durch den Krieg in der Ukraine. Es begleitet mich, wenn ich Bilder von zerbombten Häusern und aufgerissenen Äckern sehe, von traumatisierten Menschen und Soldaten, denen man ansieht, wie nah sie dem Tod gekommen sind. Es begleitet mich in meiner Empörung und meiner Wut über diesen brutalen, sinnlosen Krieg, der so viele Menschenleben opfert. Das Apfelbäumchen erinnert an das Leben, an die Kraft der Natur. Und dass ein guter Schöpfer darin am Werk ist.

Eine Freundin hat das mit dem Apfelbäumchen für sich so umgesetzt: Sie hat ihre Wohnung umgebaut und eine geflüchtete Familie aufgenommen. Jetzt aber merkt sie, dass es nicht so einfach ist, dieser Familie zu helfen. Bürokratie, Sprachprobleme und die Verzweiflung der Familie setzen ihr mehr zu als sie gedacht hat. „Es ist schwer“, sagt sie, „aber man darf nicht aufhören, man muss solidarisch sein.“

Sie will es machen wie Jesus. Der auch allen geholfen hat. „Wenn du wärst wie Jesus“, habe ich gesagt, „dann würdest du auch respektieren, dass deine Kräfte begrenzt sind. Jesus hätte den ganzen Tag Kranke heilen und Verzweifelte trösten können. So viel Elend hat er gesehen. Aber Jesus hat um die göttliche „Work-Life- Balance“ gewusst.  Hat sich immer wieder zurückgezogen von den Menschen. Auf einen Berg, in die Wüste oder vielleicht in einen Garten mit blühenden Obstbäumen. Dort hat er in den Himmel geschaut, hat die Wolken vorüberziehen lassen. Hat gewartet, bis er sie wieder gespürt hat- diese Liebe, die nicht von dieser Welt ist. Dieser himmlische Friede und die Freude, einfach da zu sein.“

Und darum geht‘s in der göttlichen „Work-Life-Balance“. Es geht nicht nur ums Ausruhen, damit man wieder fit ist. Es geht darum, wieder das Leben in sich zu spüren und die Dankbarkeit. Und dass man eigentlich nur weitergeben wollte, was man selber bekommen hat. Es geht darum, nicht irgendwie, sondern gerne zu tun, was man aus innerer Überzeugung tun muss.

Sollte morgen die Welt untergehen, dann würde ich heute noch es genauso machen wie bisher. Ich würde mich engagieren, mich dabei ärgern und aufreiben. Und mich gleichzeitig immer wieder unter „mein Apfelbäumchen“ setzen, den Wind auf der Haut und Gottes Nähe im Herzen spüren und ja sagen zu dem, was ist. Immer in beiden Welten zu Hause sein.

Im letzten Jahr hingen übrigens nur drei Äpfel an meinem Apfelbäumchen. Drei leuchtend rote, glänzende Äpfel. Den ersten hat sich ein Eichhörnchen geholt. Den zweiten haben sich die Würmer schmecken lassen. Und den dritten und letzten Apfel hat ein Vogel vor meinen Augen angepickt. Aber er hat uns immerhin eine Hälfte übriggelassen.  Die haben wir dann gewaschen und feierlich verzehrt. Ich kann nur sagen: Es war köstlich!

Es gilt das gesprochene Wort.

 

 

29.01.2022
Annette Bassler