Centrum Judaicum

Wort zum Tage
Centrum Judaicum
07.05.2020 - 06:20
30.01.2020
Kathrin Oxen
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Die goldene Kuppel strahlt weithin über die Stadt. Mit 3200 Sitzplätzen war die zum jüdischen Neujahrsfest 1866 eingeweihte Neue Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin einst die größte und schönste Synagoge Deutschlands. Sie stelle, so urteilte Theodor Fontane seinerzeit, „alles in den Schatten, was die christlichen Kirchen unserer Hauptstadt aufzuweisen haben.“ Selbstbewusst baute man in der Mitte Berlins, die Konstruktion der von vergoldeten Rippen überzogenen Kuppel und die prächtige Ausstattung erregten über Deutschland hinaus Aufsehen. In der Pogromnacht 1938 bewahrte ein mutiger Berliner Polizist die Neue Synagoge zunächst vor der Zerstörung. Bei den Bombenangriffen im November 1943 wurde der Hauptraum der Synagoge weitgehend zerstört.

 

Erst ab 1988 begannen die Arbeiten zur Rekonstruktion der weniger zerstörten Teile der Synagoge an der Oranienburger Straße. Heute vor 25 Jahren wurde hier die „Stiftung Centrum Judaicum“ mit einer Dauerausstellung zur Geschichte der Neuen Synagoge und der Berliner Jüdischen Gemeinde, dem historischen Archiv und vielen weiteren Ausstellungen und Bildungsangeboten eröffnet. Die goldene Kuppel feiert heute ein silbernes Jubiläum.

Bei meinem ersten Besuch im Centrum Judaicum, als Studentin vor nun auch schon fast 25 Jahren, hat es mich irritiert, dass gerade der Hauptraum der Synagoge nicht mehr erhalten ist. Dort, wo sich einst die jüdische Gemeinde zum Schabbat-Gottesdienst versammelte, war eine beinahe körperlich spürbare Leerstelle.

Heute ist das immer noch so. Aber wenn ich heute in der Oranienburger Straße bin, ist dort jüdisches Leben und jüdische Kultur an fast jeder Ecke sichtbar, mit Läden und Restaurants, auch an vielen anderen Orten in Berlin. Wo vor dem sogenannten Dritten Reich die größte jüdische Gemeinde Deutschlands zuhause war, gibt es wieder ein jüdisches Gemeindeleben. Aus Zerstörung und Vernichtung ist neues Leben gewachsen.

 

Auch heute, beim silbernen Jubiläum des Centrum Judaicum und 75 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus, ist eine neue Normalität noch nicht erreicht. Noch steht das Centrum Judaicum, wie viele andere jüdische Einrichtungen, unter ständigem Polizeischutz, angesichts der Zahl antisemitischer Übergriffe leider zu Recht. Unbelastete, normale, gar goldene Zeiten für jüdisches Leben in Deutschland sind noch nicht wieder angebrochen. Aber ein Hoffnungsschimmer liegt über der Stadt.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

30.01.2020
Kathrin Oxen