Max Goldt im Bücherregal und die Kunst, wie man leere Milchtüten faltet. Das sind für unsere Autorin kleine Erinnerungen an Menschen, die Spuren in ihrem Leben hinterlassen haben. Dazu gehört Jesus.
Sendetext lesen:
Ohne ihn wäre ein ganzes Fach in meinem Bücherregal leer: Vor ziemlich genau 30 Jahren hat mich jemand auf den Schriftsteller Max Goldt aufmerksam gemacht. Ich kaufte mir den ersten Sammelband mit seinen Kolumnen. Und weil sie mir sehr gefielen, auch alle weiteren, bis heute. Meine soliden Kenntnisse des Werks von Max Goldt verdanke ich diesem einen Menschen, zu dem ich schon sehr lange keinen Kontakt mehr habe. Aber immer, wenn ich im Regal herumräume oder ein neues Buch von Max Goldt erscheint, dann denke ich kurz an ihn.
Dann geht es vom Wohnzimmer in die Küche, und da gibt es diesen Trick mit der leeren Milchtüte: Wie faltet man die möglichst flach zusammen, aber so, dass sie nicht wieder aufgeht? Das hat mir jemand vor noch längerer Zeit einmal gezeigt, damals, als wir zusammen im Zeltlager waren. Dort mussten jeden Tag sehr viele Milchtüten vom Frühstückskakao für hundert Kinder zusammengefaltet werden. Was der Milchtütenexperte heute macht, weiß ich nicht. Aber diese kleine Erinnerung, die ist ganz zuverlässig.
Für mich sind diese alltäglichen Erinnerungen kostbar. Sie erinnern mich an Zeiten meines Lebens und Menschen, die mir begegnet sind und ihre Spuren hinterlassen haben. Sie wissen alle gar nichts davon. Aber sie gehören zu meinem Leben dazu, wahrscheinlich, bis ich einmal meine letzte Milchtüte gefaltet habe und jemand mein Bücherregal ausräumt. Sehr wahrscheinlich habe auch ich im Leben anderer Menschen Spuren hinterlassen, von denen ich gar nichts weiß. Denn die Zeit und das Leben vergehen. Daran kann man im November ruhig mal denken. Aber es bleibt auch etwas von uns, zu unserem Gedächtnis.
Genau diese Worte sage ich als Pfarrerin sonntags im Gottesdienst, wenn wir Abendmahl feiern. Zweimal sage ich das. Erst sage ich es über dem Brot. Dann über dem Wein. Ich denke dabei an Jesus und an das, was er gesagt und getan hat in seinem Leben, bevor er gestorben ist.
Und wenn dann ein bisschen Zeit ist, weil alle erstmal nach vorne zum Altar kommen müssen, dann denke ich darüber nach, was von Jesus, von seiner Botschaft in meinem Leben geblieben ist. Das, was mein Leben bereichert, mir hilft, im Alltag zurechtzukommen. Oder komplizierte Dinge einfacher zu machen. Die Art, wie er Menschen begegnet ist. Sein grenzenloses Gottvertrauen. Was tue ich zu seinem Gedächtnis, wenn der Gottesdienst wieder vorbei ist? Ich hoffe: Man merkt meinem Leben an, dass es Spuren von Jesus enthält.
Es gilt das gesprochene Wort.
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