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Was haben Gartenpflege und Jesu Bergpredigt gemeinsam? Mehr als man denkt.
Heckenschere
Umgebung und Umgang kultivieren
13.11.2025 06:20

Was haben Gartenpflege und Jesu Bergpredigt gemeinsam? Mehr als man denkt.

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Meine Freundin ist Pfarrerin wie ich. An ihrem freien Tag in der Woche hat sie Zeit, mir zu schreiben, was sie gerade macht. Neulich war das: Die Heckenschere suchen. Kein Wunder, sie hat ein großes Grundstück, und jetzt ist ja eine gute Zeit, um Sachen zurückzuschneiden. Und dann kam noch eine Nachricht: Sie habe die Heckenschere gefunden und werde jetzt anfangen, über die Predigt nachzudenken.

Weil ich neugierig war, habe ich nachgeschaut, zu welchem Predigttext aus der Bibel sie sich mit ihrer Heckenschere Gedanken machet. Es war Jesu Aufforderung aus der Bergpredigt: "Liebt eure Feinde; tut wohl denen, die euch hassen; segnet, die euch verfluchen; bittet für die, die euch beleidigen."

Feindesliebe mit der Heckenschere? Pfarrerinnen und Pfarrer sind ja bekannt dafür, dass es ihnen fast immer gelingt, auch die absonderlichsten Gegenstände mit theologischen Inhalten zu verbinden. Also habe ich noch ein bisschen weitergedacht. Erst einmal: Eine Heckenschere ist ein Instrument der Kultivierung. Sie sorgt dafür, dass nicht alles wächst, wie es will, sondern in Form bleibt.

Jesu Aufforderung, die Feinde zu lieben, ist in einer Weise auch ein Instrument der Kultivierung. Denn seine Feinde zu hassen, das ist sozusagen etwas Natürliches. Aber das Gegenteil zu tun, dafür braucht es die Kraft, diesem "natürlichen" Impuls nicht einfach nachzugeben. Feindesliebe ist, wenn man so will, künstlich. Sie kultiviert unser Verhalten. Das gilt für die kleinen Feindseligkeiten wahrscheinlich sogar noch mehr als für die ganz großen.

Eine Heckenschere ist ein Instrument der Pflege. Sie muss regelmäßig zum Einsatz kommen, damit das Ergebnis von Dauer ist. Das ist mühsam, weil immer wieder etwas nachwächst. Auch die Feindesliebe ist kein Naturzustand, sondern das Ergebnis ständiger Mühe, immer das Gegenteil von dem zu tun, was eigentlich zu erwarten wäre: "Segnet, die euch fluchen, bittet für die, die euch verfolgen."

Und dann ist mir zum Schluss noch eingefallen, was man über eine Hecke sagen kann, besonders dann, wenn sie gut geschnitten ist mit einer Heckenschere. Dann "friedet" sie ein Grundstück ein. Auch der Frieden ist eben kein Naturzustand. Er muss kultiviert und gepflegt werden, nicht nur am Sonntag in der Predigt, sondern viel wahrscheinlicher unter der Woche mit dem Nachbarn übern Gartenzaun und in vielen anderen Beziehungen im Alltag. Ich weiß nicht, wie weit meine Freundin an ihrem freien Tag mit ihrer Hecke noch vorangekommen ist. Mir hat sie mit ihrer Heckenschere eine fast fertige Predigt über Feindesliebe beschert.

Es gilt das gesprochene Wort.

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