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Verhören
Die schönsten Verhörer bei Weihnachtsliedern
12.12.2024 06:20

Ein Pferd springt aus einer Wurzel, der Gottes Sohn heißt Owie und besitzt ein großes Rad. Die Verhörerquote bei Weihnachtsliedern ist besonders hoch. Wunderbar!, findet unsere Autorin.

Sendung zum Nachlesen:

Der Autor Axel Hacke hat sich sehr darum verdient gemacht, dass das Sich-Verhören inzwischen als eigene Kunstform anerkannt ist. In seinen "Handbücher des Verhörens" sind wahre Schätze an falsch verstandenen Liedtexten gesammelt. Bei jeder Art von Verdruss reicht ein Blick hinein, um sofort fröhlich zu werden.

Besonders hoch ist die Verhörerquote bei den Weihnachtsliedern. Was vermutlich auch daran liegt, dass es gar nicht mehr so viele Orte gibt, an denen nicht Geübte zusammen singen – und außerdem Kinder dabei sind. Denn sie sind es meistens, die Liedtexte falsch verstehen. Und die während zu langer Weihnachtspredigten, die sie still erdulden müssen, auch Zeit haben, ein bisschen darüber nachzudenken, warum Gottes Sohn auf einmal "Owie" und nicht mehr Jesus heißt. In dem Lied, das die Erwachsenen besonders andächtig singen: "Stille Nacht, heilige Nacht / Gottes Sohn, o wie lacht." Oder wie ein Pferd aus einer Wurzel entspringen kann, anstatt über einen Zaun oder ein Hindernis zu springen und wo dieses entsprungene Ross dann hin will – um nur die beiden größten Klassiker zu nennen.

Jetzt im Advent hatten wir in einer Andacht einen Kinderchor zu Besuch. Laut und vernehmlich sangen die Mädchen eine Zeile aus dem Lied "Macht hoch die Tür" ein klein wenig anders: "Gelobet sei mein Gott / mein Heiland groß vom Rad". Es müsste eigentlich "von Tat" heißen. Aber da vorher von einem Gefährt die Rede ist - "Sanftmütigkeit ist sein Gefährt" - und vom Schöpfer, reich von Rat, sangen die Mädchen vom großen Rad des Heilands.

Wie wunderbar, habe ich gedacht, ein Heiland – unter dem sie sich bestimmt auch nicht so recht etwas vorstellen können – der ein großes Rad hat und dafür überall bekannt ist. Vielleicht hat der Heiland so ein Lastenrad, in dem sich Kinder immer gemütlich kutschieren lassen können, während sich ihre Eltern für sie abstrampeln? Oder kann man beim Heiland vielleicht auf dem Gepäckträger mitfahren, eng an ihn geschmiegt, mit Wind in den Haaren und er fährt ganz sicher und kennt den Weg?

Ich habe leider vergessen, die kleinen Sängerinnen zu fragen, was das denn wohl bedeuten soll, "groß vom Rad". Und korrigieren wollte ich sie auf gar keinen Fall. Ich habe mir gedacht, dass sie beim Singen bestimmt genauso schöne Vorstellungen vom Heiland hatten wie ich beim Zuhören. Denn manchmal ist Nicht-Verstehen viel schöner als Verstehen. Besonders in der Adventszeit.

Es gilt das gesprochene Wort

 

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