Die Gottheit – ein Meer

Wort zum Tage
Die Gottheit – ein Meer
22.10.2019 - 06:20
29.08.2019
Eberhard Hadem
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Übers Wasser nachdenken und möglichst etwas von ihm lernen, das ist mein Anliegen in dieser Woche. Wasser nimmt viele verschiedene Gestalten an. Es hat keine eigene Farbe. Die Welt, von der es umgeben ist, verleiht ihm seine Farbe. Es färbt sich von dem Boden her, den es bedeckt. An einem See ist das Wasser oft braun und dunkel vom schlammigen Grund. Am Mittelmeer ist das Wasser eher türkis und durchscheinend; der helle Sand, die weißen Steine sorgen dafür. Der Himmel legt vom Horizont her einen silbrigen Glanz auf die Meeresoberfläche.

Zu den vielen Wandlungen des Wassers gehört zum Beispiel, dass es von der Erde durch kleine Kapillaren hinauf in die Adern eines Zitronenbaums fließt. Es verwandelt sich sozusagen in Blätter und Zitronen. Auch in meinem Körper findet sich Wasser in wieder anderer Gestalt: Im Blut, jenem Lebenssaft, ohne den kein Leben möglich wäre. Wenn ich bei einer körperlichen Arbeit ins Schwitzen gerate, ist auch das eine Gestalt des Wassers. Meine Tränen bei Kummer, meine Schniefnase, auch das sind Gestalten des Wassers.

Der Theologe Jörg Zink hat einmal gesagt: Indem das Wasser kein eigenes Leben beansprucht, ist es die Urkraft alles Lebendigen. Wasser verwandelt sich in allen lebenden Wesen in ihre Gestalt, schenkt ihnen das Leben, in dem es sich selbst schenkt. Das ist eine kraftvolle Poesie der Schöpfung, die mich zum Staunen bringt.

Der Mystiker Angelus Silesius geht noch einen Schritt weiter. Er verbindet in einem Bild ‚Wasser‘ und ‚Gott‘. Er sagt: Die Gottheit ist ein Brunn, aus ihr kommt alles her und läuft auch wieder hin. Drum ist sie auch ein Meer. Wasser und Gott, Geist und Materie kann ich dann nicht mehr getrennt denken. Mir ist, als ob ich das Staunen des Mystikers hören könnte, mit dem er seinen letzten Satz sagt: Drum ist sie – die Gottheit – auch ein Meer. Ich staune mit ihm: Alles Lebendige ist gottursprünglich, hat seinen Ursprung in Gott. Staunen heißt, anders hinschauen. Auf das, was mich umgibt, und auf mich selbst. Und es gibt wohl nichts, das so fern, so abgeschnitten von Gott wäre, dass es nicht wieder zurückfließen könnte in seinen Ursprung, dieses unendliche Meer; nichts in mir noch ich selbst noch eine andere Kreatur.

Im Johannesevangelium spricht Jesus einmal davon, dass sein lebendiges Wasser im Menschen zu einer Quelle jenes Wassers werden kann, das in das ewige Leben mündet. (Joh. 4, 14) Bereit und offen sein für Gottes Geist, der mich verwandeln kann; ihn strömen lassen – so beginnt es, das ewige Leben. Mitten in diesem hier.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

29.08.2019
Eberhard Hadem