Eine Villa am Wannsee

Wort zum Tage

Gemeinfrei via pixabay/ meisterhaui

Eine Villa am Wannsee
mit Pfarrerin Kathrin Oxen
27.01.2022 - 06:20
11.01.2022
Kathrin Oxen
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Eine Villa am Wannsee, ein Wassergrundstück mit traumhaftem Ausblick und schönem Garten. Hier fand am 20. Januar 1942 eine Besprechung statt, in der der insgeheim schon längst gefasste Beschluss zur Vernichtung der europäischen Juden organisatorisch vorbereitet wurde. Die Frage nach dem Ob war längst beantwortet. Jetzt ging es nur noch um die Frage nach dem Wie der sogenannten „Endlösung der Judenfrage“.

 

80 Jahre ist das jetzt her. Und beschäftigt mich als Bürgerin und macht mir zu schaffen als Christin bis heute. Und bis heute kann ich mir nicht vorstellen, wie es gewesen ist, als sich dort 15 Männer trafen, zu einer „Besprechung mit anschließendem Frühstück“, wie es in der Einladung heißt. Ich habe immer geglaubt, diese Besprechung hätte den ganzen Tag gedauert. Tatsächlich wurden in eineinhalb Stunden die Grundzüge dessen besprochen, was sich als Holocaust in das Gedächtnis der Menschheit eingebrannt hat.

 

Es wurde ein Protokoll angefertigt und an alle Teilnehmer versendet. Nur eines davon ist erhalten geblieben. In der heutigen Gedenkstätte ist ein Faksimile zu sehen. Es ist ein ganz normales Protokoll mit einem Aktendeckel. In sachlichem Ton wird darin berichtet, dass die bisherigen Maßnahmen zur „Zurückdrängung der Juden aus den Lebensgebieten des deutschen Volkes“ wie die Forcierung der Auswanderung nicht den gewünschten Erfolg erzielt hätte. Man müsse daher nun überlegen, was mit den verbleibenden 11 Millionen geschehen solle. Von der systematischen Durchkämmung des Reichsgebiets von West nach Ost ist die Rede und von der „Evakuierung“ nach dem Osten. Am Ende heißt es: „Abschließend wurden die verschiedenen Arten der Lösungsmöglichkeiten besprochen.“

 

Adolf Eichmann, der das Protokoll geführt hatte, sagte 1961 in seinem Prozess aus, dass man informell völlig offen von „Töten und Vernichten“ gesprochen habe, nur habe er das natürlich nicht ins Protokoll aufnehmen können. Danach hätten die Herren dann erst einmal einen Kognak getrunken.

Heute vor 77 Jahren wurde das Konzentrationslager Auschwitz von der sowjetischen Armee befreit. Das, was die russischen Soldaten dort vorfanden, war das Ergebnis der Besprechung mit Frühstück in einer Villa am Wannsee. Das unfassbare Böse passte in ein schmales Protokoll.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

11.01.2022
Kathrin Oxen