Fußpflege

Wort zum Tage

Gemeinfrei via wikimedia commons/ A.Savin

Fußpflege
mit Pfarrerin Kathrin Oxen
29.01.2022 - 06:20
11.01.2022
Kathrin Oxen
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Wenn ich von West nach Ost durch Berlin fahre, geht es irgendwo hinter den Vierteln, die ich noch kenne, gefühlt nur noch geradeaus, Richtung Frankfurt/Oder. Bis dann am Horizont die riesigen, elfgeschossigen Plattenbauten von Marzahn auftauchen. Marzahn ist das größte Plattenbaugebiet, das in der damaligen DDR errichtet wurde. Heute leben etwa 110000 Menschen hier. Ein gutes Image hat Marzahn bis heute nicht, obwohl die Wohnungen günstig sind und die Umgebung grün ist. Adjektive wie „hässlich“, „anonym“ und „trostlos“ fallen einem als erstes ein.

Und doch hat Katja Oskamp hier in Marzahn ihr Glück gefunden. In einer persönlichen Krise hat sie eine Ausbildung zur Fußpflegerin gemacht und angefangen, in einem Fußpflege-Studio – Achtung, Wortwitz – am Fuße einer der riesigen „Platten“ zur arbeiten. Eigentlich ist Katja Oskamp Schriftstellerin, leider keine besonders erfolgreiche. Bei ihrer neuen Arbeit, immer zu Füßen ihrer Kunden, lernt sie die Menschen oberhalb der Füße und ihre Lebensgeschichten kennen. Und sie beschreibt in kleinen, zärtlichen Porträts, wie viel Leben, Liebe, Schicksal und Würde in diesen Platten wohnen. Keiner von den Menschen, die sie beschreibt, bleibt hässlich, anonym oder trostlos. Alle haben ihre Schönheit, ihre Besonderheit und ihre Kraft.

 

„Marzahn, mon amour“ heißt das Buch, an dessen Ende sich Katja Oskamp selbst auch so ansehen kann wie ihre Kunden. Sie ist nicht länger irgendeine Frau in irgendeiner Lebenskrise. Sie ist schön, besonders, voller Kraft, ihr Leben zu meistern. Da ist plötzlich keine Sackgasse mehr, sondern eine schöne breite Ausfallstraße, wie die nach Frankfurt/Oder, auf der man auch nochmal richtig Gas geben kann. Die Zuwendung, die sie anderen über das Nägel feilen und Hornhaut hobeln hinaus gegeben hat, ist als Kraft zu ihr zurückgekommen.

 

Ich weiß nicht, ob Katja Oskamp die Geschichte in der Bibel kennt, in der Jesus zum Fußpfleger wird. Zwar ohne Pediküre, aber doch mit Füße waschen und abtrocknen. Ein Liebesdienst an seinen Freunden. Ein bisschen peinlich berührt nehmen sie ihn entgegen, ohne dass sie richtig verstehen, warum Jesus das tut. Sie bekommen eine Antwort: „Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe“ (Joh 13,15). Sich anderen Menschen liebevoll zuwenden, ihre Schönheit, Besonderheit und Kraft entdecken – das geht auch ohne eine besondere Ausbildung. Wir haben ja ein Beispiel dafür.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

11.01.2022
Kathrin Oxen