In Gottes Ohr

Wort zum Tage

Gemeinfrei via unsplash/ Aaron Burden

In Gottes Ohr
mit Pastor Diederich Lüken
08.02.2022 - 06:20
06.02.2022
Diederich Lüken
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Es kommt beinahe einer Einladung gleich, ein Gesetz zu brechen. An der Außenwand einer Kirche in Essen sah ich ein Schild, das absolutes Halteverbot anzeigt. In den meisten Fällen wird so ein Schild ergänzt durch ein zweites, das eine „kostenpflichtige Abschleppung“ androht, falls jemand trotzdem seinen Wagen dort abstellt. Nicht so in diesem Fall. Zwar wird auch hier das Haltverbotsschild durch ein zweites Schild ergänzt. Auf ihm aber liest der erstaunte Autofahrer: „Für Zuwiderhandelnde wird gebetet.“ Ich kann mir vorstellen, wie diese ungewöhnliche Ankündigung von einem atheistischen Autofahrer durchaus als Drohung wahrgenommen wird und er flugs den Wagen wendet, um in einer religiös neutralen Parkbucht einen Platz zu suchen. Für andere dagegen könnte „Für Zuwiderhandelnde wird gebetet“ ein Angebot sein, das sie gerne annehmen würden, wenn, ja wenn darüber nicht das vermaledeite Halteverbotsschild hinge. Der eine oder die andere mag sich trotzdem überwinden und seinen Wagen tatsächlich auf diesem Platz abstellen. Für diese enthält das Schild keine Drohung, sondern ein Versprechen, und sie hoffen, dass es auch gehalten wird. Denn unsere Welt ist voller ungebeteter Gebete. Davon bin ich überzeugt. Der Volksmund reimt es so: „Unter jedem Dach ein Ach!“ Manch einer könnte verzweifeln wegen des Unheils, das ihn getroffen hat. Auf einem Plakat las ich den stolzen Satz: Beten hilft! Ist das so? Wird die Not beseitigt? Wird der Schmerz gelindert? Werden neue Lebensmöglichkeiten eröffnet? Vielleicht. Doch der Sinn des Betens erschließt sich auf andere Weise. Wer seine Not in einem Gebet ausspricht, hat vielleicht keine Veränderung seiner äußerlichen Situation zu vermelden. Aber eines hat sich verändert. Der Betende kann seine Krankheit, sein Versagen, sein persönliches Desaster in ein Ohr klagen, das ihn hört, auch wenn es unsichtbar ist. Und wenn ein Mensch genau das nicht kann, ist es gut, wenn es jemand für ihn tut. Da kommt dann der Spruch an der Kirchenwand gerade recht, indem er verspricht: Du bist nicht mehr allein. Jemand nimmt sich Deiner an und betet für dich. Wenn dir selbst das Ohr Gottes verschlossen vorkommt, für diesen anderen ist es das nicht. Hoffentlich schreibt er sich dann auch das Kennzeichen auf, damit er genauer sagen kann, für wen er da betet. Wobei: Gott wird es schon wissen.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

06.02.2022
Diederich Lüken