Holzwege braucht jeder

Wort zum Tage

Gemeinfrei via Unsplash/ Haley Whalen

Holzwege braucht jeder
von Pfarrer Eberhard Hadem
22.02.2023 - 06:20
29.01.2023
Eberhard Hadem
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Wer im Winter durch den Wald spaziert, sieht die Holzwege deutlicher denn je. Ein solcher Weg hört mitten im Wald einfach auf. Wer auf dem sprichwörtlichen Holzweg ist, landet in einer Sackgasse.

Aber Holzwege haben eine ganz bestimmte Aufgabe. Sie werden in den Wald geschlagen, um Holz und anderes aus dem Wald herauszubringen. Also nicht, um etwas hineinzubringen oder gar hineinzugehen. Holzwege helfen beim Aufräumen. Um den Bäumen etwas mehr Luft und Licht zu verschaffen.

Holzwege sind für mich eine Metapher, die mir hilft. Manchmal muss ich Holzwege in mein eigenes Denken schlagen, weil ich sprichwörtlich den Wald vor lauter Bäumen nicht sehe. Holzwege schlagen ist das, was ich am Aschermittwoch mache, wenn die Fastenzeit beginnt, die Passionszeit. Genau hinschauen, möglichst von verschiedenen Seiten, innerlich aufräumen und hinausschaffen, was mich einengt und mir nicht gut tut. 

Sich im inneren Winter der Seele mit sich selbst auseinandersetzen – von dieser Chance erzählt die Bibel in einer kleinen Geschichte. Ein Prophet warnt den König Jojakim vor dessen Feinden. Der König ist aber ein Despot und will auf niemanden hören, schon gar nicht auf Kritik. In der Bibel heißt es (Jer. 36, 22): Der König aber saß im Winterhaus vor dem Kohlenbecken, im neunten Monat.

Was bei uns der Winter ist, ist in Israel die nasskalte Regenzeit. Der König sitzt da in einer Luxus-Anlage, elfenbeingeschmückt (Amos 3,15), mit einem Kohlenbecken, das ihn wärmt. Und er verbrennt die Nachricht, die ihm der Prophet geschickt hat, Seite für Seite im Feuer.

Wenn die Seele im Winterhaus sitzt – diese Chance hätte der König nutzen können. Er hat es nicht gemacht. Er hätte – bildlich gesprochen – nur ein paar Holzwege gebraucht, um ein wenig aufzuräumen bei sich. Vielleicht hätte er dann entdeckt, wie trügerisch es ist, sich allein auf sich selbst zu verlassen.

Des König Jojakims Fall war groß, heißt es, weil er im Winterhaus nicht einmal ansatzweise darüber nachdenken wollte, umzukehren. Kurze Zeit später wird sein Land erobert und König Jojakim zu Fall gebracht. Ähnlichkeiten mit modernem Führungspersonal heutiger Staaten sind beabsichtigt.

Im inneren Winter erkunden die einen sich selbst und finden einen Weg, den sie gehen können. Und anderen gelingt das nicht. Manche schlagen Holzwege, die zunächst weh tun, dann aber weiterhelfen. Und andere bleiben in ihrer selbstgewählten Sackgasse stecken.

Wer also auch einen Winter in der Seele erlebt, der möge auf Holzwege stoßen – oder selbst für welche sorgen.

Es gilt das gesprochene Wort.

29.01.2023
Eberhard Hadem