Lass es regnen

Wort zum Tage
Lass es regnen
04.07.2020 - 06:20
25.06.2020
Ulrike Greim
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Bedrohlich hängt eine superdicke Lenticularis-Wolke über dem Tal. Sieht aus, wie ein Riesen-Ufo. Linsenförmig rund, mehrere Etagen. Dunkelblau und grau, oben weiß. Die kleine Stadt darunter sieht aus wie aus Spielzeug. Ein Gewitterschlag und die Stadt existiert nicht mehr, möchte man denken. Es blitzt in der Wolke. Regnen tut sie nicht.

Wir stehen auf dem Feld oben am Hang und beobachten das Spektakel. Meine Freundin A. ist Bio-Bäuerin mit Leib und Seele. Die Seele hat es gerade schwer. Sie kann mit einer Menge Schwierigkeiten klarkommen. Mit der Dürre nicht.

„Sie soll regnen“, sagt sie – fast beschwörend in Richtung Wolke. Es ist die einzige Wolke am Himmel. Aber sie regnet nicht.

Wir gehen über die Felder. Knastertrocken. „Die paar Tropfen neulich haben es nicht gebracht,“ sagt sie. „Jeder Tropfen ist gut, aber wir bräuchten mehrere Wochen mit Landregen. Das Wintergetreide ist kaum aufgegangen. Im April hat es fast gar nicht geregnet. Mich ficht das an.“

Sie ist eine fromme Frau. Sie trägt das Herz nicht auf der Zunge. Aber hier habe sie ihren Herrgott schon einmal gefragt, warum das sein müsse. Sie plagen sich ab. Zwölf Beschäftigte, dazu die ganze Familie. Wirklich die ganze. Das ganze Jahr über. Sie machen alles, was geht. Aber am Wetter können sie ja nicht drehen. Das müsse „der da oben“ regeln.

Sie betet um Regen.

Die dicke Wolke steht schweigend da – wie zum Trotz. Wir bestaunen ihre majestätische Schönheit.

Vom Schwiegersohn hat sie erfahren, dass es in Afrika richtige Regentänze gibt, Regengebete, ganze Riten. In manchen afrikanischen Regionen werden die Heiligenbilder aus den Tempeln geholt und auf die Felder gebracht. Sie sollten direkt Zwiesprache halten. Trockenheit: eine Gottesstrafe.

Sie liest in der Bibel, dass auch im Alten Testament Gott Regen schickt, wenn er das Gottesvolk segnet. Und dass er ihn vorenthält, wenn er es erziehen will.

Will uns Gott etwas sagen?

Die dicke Wolke zieht nicht weiter. Wie ein Zeichen am Himmel – und keiner kann es verstehen. „Vielleicht, dass die Natur nicht bezwingbar ist. Dass wir keine Sicherheit haben,“ sage ich vorsichtig. „Uns ist es jahrzehntelang gut gegangen. Das bedeutet nicht, dass das immer so weitergeht.“

Wir laufen eine Zeitlang schweigend nebeneinander. Der Hund rennt gut gelaunt über das Feld und zurück. „Wir mussten sogar schon Futter für die Schweine zukaufen, weil wir selber zu wenig hatten. Daran hatte es sonst noch nie gemangelt. Und hier – ab einem Meter Tiefe ist alles knastertrocken. Wir schauen den Bäumen, die wir unseren Kindern zur Geburt gepflanzt haben, beim Vertrocknen zu.“

Gott des Himmels und Erde – lass es regnen, bete ich leise. Für A. und ihre Familie. Für uns alle. In Afrika und bei uns, überall.

Und wenn nicht – dann hilf uns, gerecht zu teilen, was wir haben.

25.06.2020
Ulrike Greim