Niemals Gewalt

Wort zum Tage

Gemeinfrei via unsplash / Nick Fewings

Niemals Gewalt
von Sabrina Fabian
14.11.2022 - 06:20
01.08.2022
Sabrina Fabian
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Die Kinderbuchautorin Astrid Lindgren ist zwar schon vor 115 Jahren geboren – und zwar heute auf den Tag genau -, aber ihre Texte sind trotzdem noch aktuell, manche hochaktuell. In ihrer Rede anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1978 spricht Astrid Lindgren darüber, dass seit Menschengedenken Frieden bedroht ist. Sie zeigt aber auch an einem Beispiel, wie sich der allgegenwärtigen Gewalt trotzen lässt. Dazu erzählt sie von einer Bekannten, die das schlagartig gelernt hat.  

Als junge Mutter hatte die Frau stets den folgenden Satz aus der Bibel im Hinterkopf: „Wer seine Rute schont, der hasst seinen Sohn; wer ihn aber lieb hat, der züchtigt ihn beizeiten.“ (Sprüche 13,24) Der stammt aus der Sprüchesammlung des Alten Testaments. Eines Tages  hatte ihr kleiner Sohn etwas angestellt und sie schickte ihn in den Garten, einen Stock zu suchen. „Der kleine Junge ging und blieb lange fort“, erzählt Astrid Lindgren in der Paulskirche in Frankfurt. „Schließlich kam er weinend zurück und sagte: ‚Ich habe keinen Stock finden können, aber hier hast du einen Stein, den kannst du ja nach mir werfen.‘“

Seiner Mutter kamen die Tränen, sie nahm ihn auf den Arm und eine Zeitlang weinten sie beide. „Dann legte sie den Stein auf ein Bord in der Küche“, berichtet Lindgren weiter. „Dort blieb er liegen als ständige Mahnung an das Versprechen, das sie sich in dieser Stunde selber gegeben hatte: ‚Niemals Gewalt!‘“

Astrid Lindgren war davon überzeugt: wir können unsere Welt gewaltloser machen, nicht gewaltfrei – dieser Illusion gab sie sich nicht hin – aber gewaltloser: wir müssten bei den jüngsten anfangen – und damit bei uns selbst. Ihnen müssten wir vorleben, wie man mit der Neigung zur Gewalt umgeht: Man setzt sich ihr Mittel direkt vor die Nase und lässt es liegen. Die Gewalt immer vor Augen haben und dann von ihr ablassen.

Ein Gedanke, der auch in der Bibel zu finden ist. Gewalt kommt im Alten Testament nämlich nicht nur in einem fragwürdigen Erziehungstipp vor, sondern auch in Texten, die von ihr abraten. Das Gebot der Nächstenliebe ist prominent platziert unter den Gesetzen, die dabei helfen sollen, das eigene Leben gut zu gestalten, es zu „heiligen“. Im sogenannten Heiligkeitsgesetz im 3. Buch Mose steht: „Du sollst dich nicht rächen noch Zorn bewahren gegen die Kinder deines Volks. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Lev 19,18).

Gerade dieses Nebeneinander von einerseits Gewalt empfehlen und auf der anderen Seite Gewalt ächten macht die Bibel selbst zum Dokument dafür, dass die Versuchung zur Gewalt uns überall begegnen kann und wir uns ständig gegen sie entscheiden müssen. Am besten, indem wir uns erinnern an das große Versprechen: „Niemals Gewalt!“

Es gilt das gesprochene Wort.

01.08.2022
Sabrina Fabian