Reformationstag

Wort zum Tage

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Reformationstag
von Jörg Machel
31.10.2022 - 06:20
01.08.2022
Jörg Machel
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Wie wird man eigentlich evangelisch, so fragte mich Klaus, dem ich zuerst durch die Taufe seiner Enkelkinder begegnet bin. Er ist Rentner und ich habe ihn als engagierten Katholiken kennengelernt. Das Maß sei nun voll, erklärte er mir. Was da in Köln passiert, das ist zu viel. Und konfessionslos bleiben, das wolle er nicht.

Da kam ihm der kleine Hinweis aus Rom gerade recht. Auf die Forderungen des Synodalen Weges, dass Reformen unaufschiebbar seien, reagierte der Papst mit diesem ganz erstaunlichen Hinweis: „In Deutschland gibt es eine sehr gute evangelische Kirche. Wir brauchen nicht zwei davon.“

Als ich mit Klaus darüber sprach, haben wir gerätselt: Sollte Franziskus das tatsächlich so gesagt haben? Das klang kein bisschen polemisch. Sollte er vielleicht gemeint haben, die Weltkirche ist noch nicht soweit, und bevor ihr mit euren Forderungen aus Deutschland eine Spaltung provoziert, geht euren eigenen Weg. Wir sind noch nicht soweit.

Für Klaus war das Papstwort der Impuls für seinen Kirchenwechsel. Immerhin, der Hinweis von Franziskus stimmt ja, viele Forderungen des Synodalen Weges sind in der evangelischen Kirche erfüllt: die Aufhebung des Zwangszölibats, die Ordination von Frauen, die synodale Leitung der Kirche. Und doch muss man festhalten, dass der Übertritt von der römisch-katholischen Kirche zu einer anderen Kirche die Ausnahme ist. Offensichtlich geht es um mehr, als nur um die konkreten Forderungen, die der Synodale Weg formuliert hat. Es geht um eine grundlegende Reform kirchlicher Strukturen, die in beiden Kirchen aussteht. Wir vermuteten, solange evangelische und katholische Kirche es sich mit den immer noch reichlich fließenden Kirchensteuern so gut gehen lassen, fallen Veränderungen schwer.

Immerhin erscheint Klaus die evangelische Kirche etwas offener für wirkliche Reformen. „Ecclesia semper reformanda“, die Kirche muss zu ständiger Erneuerung bereit sein. Diesen Satz kennt Klaus noch aus dem Geschichtsunterricht. Er will Kirche. Die Entscheidung zum Übertritt bewegt ihn seit langem. Jetzt vollzieht er ihn. Er ist gespannt, ob sich seine Erwartungen an evangelischen Reformeifer erfüllen. Ein Ökumeniker wird er bleiben. Was die Kirchen verbindet, das war und das bleibt immer wichtiger, als das Trennende.

Es gilt das gesprochene Wort.

01.08.2022
Jörg Machel