Sag mir wo du stehst

Wort zum Tage
Sag mir wo du stehst
08.11.2019 - 06:20
29.08.2019
Christina-Maria Bammel
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Novembertage waren und sind Revolutionstage. Ich denke an alle, die zwischen den Mahlsteinen der umstürzenden Verhältnisse sicheren Grund suchen, wenn der Boden schwankt. Und ich denke an eine Frau aus der Bibel. Rahab ihr Name. Sie lebte in einer reichen Stadt mitten im fruchtbaren Land. Davon schien sie aber nicht wirklich etwas zu haben. Sie brachte ihre Familie durch mit Prostitution. Berühmt geworden ist sie wegen einer einzelnen Tat. Als nämlich die Israeliten endlich Fuß fassen wollte im verheißenen Land, da sahen sie auf der anderen Seite des Jordans die Stadt Jericho. Also schickte man zwei Spione los mit dem Auftrag: Erkundet die Gegend und die Stadt! Die Spione kamen nicht weit. Nur bis direkt hinter die Stadtmauer. Da bogen sie ab in Rahabs Bordell. Das erfuhr der König von Jericho durch Informanten. Und die kamen zu Rahabs Haus: Liefere uns die Männer aus. Sie haben keine friedliche Absicht. Doch Rahab hatte die Spione schon auf dem Dach versteckt. Den Wächtern antwortete sie: Sie sind weg, haben wohl die Stadt verlassen, ich weiß nicht wohin. Versucht sie einzuholen. Sprach‘s und ging zum Dach, wo die Fremden warteten. Die hörten dann Rahabs Angebot: „Ich weiß, dass euer Gott euch das Land geben will. Euer Gott ist der Gott des Himmels und der Erde.“ Dann nimmt Rahab ihren Mut zusammen und fordert: „Ich habe euch gerettet. Rettet auch ihr mich und meine Familie, wenn sich die Verhältnisse einmal ändern in dieser Stadt.“ Das wurde ihr versprochen. Mit Hörnerklängen brachten später die Israeliten die Mauern von Jericho zum Einsturz, Rahab aber wurde gerettet. Eine überlieferte Erzählung, kein historischer Tatsachenbericht! Und die Geschichte einer Frau, die den Vertrag ihres Lebens machte, weil sie mit Herz und Verstand für ihre Familie sorgte. Dafür waren ihr fast alle Mittel recht. Der Erzähler urteilt nicht darüber; er erzählt: Rahab blieb in Israel wohnen. Die rabbinischen Kommentatoren erklärten sie später zu einer der schönsten Frauen der Welt. Mut macht schön! Aber hat sie nicht getrickst gegen die eigenen Leute? Was bleibt, ist eine Frau, die zeigt, wie es ist, wenn die Verhältnisse nicht ethisch eindeutig sind – pragmatisch und mutig. Wie schnell man so einen Moment in der Geschichte verpassen kann!

Rahab, die Schöne aus Mut, gehört für mich unter die Top Ten der Glaubensfrauen. Sie steht da für alle, die sicher nicht gleich die Weltgeschichte umdrehen, aber die sehen, was weiterhilft und mit ihrer Kraft das Mögliche beginnen.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

29.08.2019
Christina-Maria Bammel