Samira

Wort zum Tage
Samira
02.03.2016 - 06:23
11.01.2016
Pfarrerin Marianne Ludwig

Zur jeder Religion gehört das Gebet. Mit welchem Namen auch immer Gott benannt wird, ob Allah, Adonai oder der Allmächtige. Immer geht es um einen Dank, ein Lob oder eine Bitte. Manchmal auch alles zugleich. Wie zum Beispiel bei Samira, einer gläubigen Muslima. Es ist nicht immer einfach für sie, die fünf Gebetszeiten einzuhalten, schließlich ist sie allein mit ihren zwei Kindern und hat einen Vollzeitjob. Aber es ist ihr inzwischen so wichtig. Denn im Anschluss an die vorgeschriebenen Gebete bittet sie Gott für ihre Kinder und für sich selbst. Und dankt dafür, dass er sie davor bewahrt hat, endgültig abzurutschen.

 

Ob Christ, Jude oder Moslem: Menschen beten mit der Gewissheit, angewiesen zu sein auf Gott. Und auf seine Hilfe, wenn der eigene Weg in die Irre führt.

 

Bei Samira fing es mit der Scheidung an. Irgendwann hielt sie es bei ihrem Mann nicht mehr aus. Alles war ihr zuviel, sogar die eigenen Kinder. Sie packte ihre Sachen und ging. Die Kinder blieben bei ihrem Mann. Nun schlug sie sich allein durchs Leben. Sie begann zu kellnern, in Clubs und Call-Centern zu arbeiten. Sie fand neue Freunde, die zwar über ihren Gott den Kopf schüttelten, aber wenigstens war sie nicht mehr so einsam. Warum sie eigentlich noch manchmal betete? Das hätte sie zu dieser Zeit kaum beantworten können. Denn ihr Leben verstieß gegen alle religiöse Vorschriften. Discobesuche, Alkohol und Kiffen gehörten dazu. Eines Tages musste Samira sich entscheiden. „Ich wusste, dass ich abrutschen würde, wenn alles so weiterliefe“, sagt sie. „Wie würden meine Kinder mal über mich denken? Zum Schluss habe ich mich vor mir selbst geekelt.“ Samira fasste sich ein Herz und stieg zum zweiten Mal aus dem Leben aus, das sie gerade führte. Sie begann eine Ausbildung. Irgendwann kamen auch die Kinder zurück und heute ist sie eine anerkannte und gefragte sozialpädagogische Fachkraft. Wie hat sie nur diesen Sprung geschafft? „Das Beten hat mir Kraft gegeben“, sagt sie. Samira ist überzeugt: Gott hat ihr damals die Augen geöffnet und die Kraft zum Neuanfang gegeben.

 

Krisen durchlebt wohl jeder Mensch. Gerade dann, wenn alles andere weg bricht, kann das Beten eine Hilfe sein. Damit Menschen wieder zu sich selbst zurückfinden. Die Bibel nennt das: Umkehr. „Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne, wie ich's meine. Und sieh, ob ich auf bösem Wege bin, und leite mich auf ewigem Wege,” (Ps. 139) betet ein biblischer Psalmdichter. Ein solches Gebet ist etwas ganz Persönliches und Individuelles – und zugleich universal.

11.01.2016
Pfarrerin Marianne Ludwig