Schatz

Wort zum Tage
Schatz
27.02.2019 - 06:20
07.02.2019
Johanna Friese
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Jeder Morgen beginnt für mich mit einer anderen Tasse. An die 20 ganz verschiedene bunte Kaffeepötte haben sich im Laufe der Jahre angesammelt und zieren jetzt mein Regal.

Los ging‘s mit der Tasse, die ich geschenkt bekam, als ich in meine erste eigene Hinterhof-Altbau-Wohnung zog. Aller Anfang ist schwer, steht drauf. Wie oft saß ich morgens mit dieser Tasse vor dem brennenden geöffneten Herd, weil der Kohleofen im Wohnzimmer noch eiskalt war.

Es gibt bunte Sternbildertassen von früheren Mitbewohnern in allen möglichen Sprachen. Eine geerbte Tasse, die den Krieg überstand.

Eine Tasse vom Reformationssommer in Wittenberg, eine von meinem ersten Moderationsjob.

Zwei weiße Tassen mit Silberrand zur Hochzeit, die hole ich nur raus, wenn mein Mann und ich mal richtig Zeit zu zweit haben.

Je nachdem, in welche Tasse ich morgens meinen Kaffee kippe, kommt auch die dazugehörige Stimmung mit auf den Frühstückstisch. Die Geschichte der Tasse leuchtet kurz mit auf und manche Erinnerung lässt mich schmunzeln. Andere nicht. Zwei Tassen habe ich inzwischen entsorgt, weil ich lieber nicht mehr erinnert werden wollte. Und dann ist da noch die kleine rote Tasse, sie ist schon angeschlagen, an der hänge ich sehr. Aus ihr habe ich in Israel ein Jahr lang jeden Morgen meinen Kaffee  getrunken – auch wenn ich einsam war.

Die meisten Gefäße haben alle Umzüge überstanden und sie gehören zu mir und in mein Leben.

Der Apostel Paulus in der Bibel spricht auch über Keramik. Mit dem Bild von den irdenen Gefäßen beschreibt er, wie zerbrechlich und verletzlich wir sind.

Gleichzeitig sagt er aber, welche Kraft im Glauben an Jesus Christus steckt. Und welche Haltung. Paulus hat selbst eine Menge durchgemacht, wurde angefeindet, auch die eigene Schwäche kennt er gut. Er spürt aber, dass seine Können und sein Überlebenswille nicht von ihm kommen, sondern von Gott. Er fühlt sich beschenkt, egal, was ihm passiert. Wie ein heller Schein im Herzen ist dieser Glaube für ihn, auch wenn von außen davon nichts zu sehen ist.

Paulus schreibt: „Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, auf dass die überschwängliche Kraft von Gott sei und nicht von uns. Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht.“ (2. Korinther 4,7-8)

So gesehen haben meine Morgentassen noch einen anderen Sinn. Sagen sie mir doch: Gott ist auch da, wenn mal etwas zerbricht im Leben, mal eine Ecke abgeschlagen wird, und Dinge sich neu sortieren müssen. Neben den Menschen, die mit mir durchs Leben gehen, kommt Gott dazu, um manches zu heilen. Jeden Morgen neu.

Und mit allen Geschichten, die passieren, wird er größer: Der Schatz, der bleibt.

07.02.2019
Johanna Friese