In Schrittgeschwindigkeit

Wort zum Tage
In Schrittgeschwindigkeit
20.06.2020 - 06:20
30.01.2020
Evamaria Bohle
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Ob Jesus schwimmen konnte? Er hatte in den drei Jahren, über die später geschrieben wurde, viel mit Fischern zu tun, heißt es. Traute sich aufs Wasser – auch ohne Boot. Auf den lieblich-tückischen See Genezareth mit seinen Fallwinden vom Golan. Vier Meter hoch können die Wogen werden. Die Jünger in Panik, Jesus schlafend an Bord. Der konnte wohl überall schlafen. Musste er ja, seit er sich für die Wohnungslosigkeit entschieden hatte.

Er schläft also auch auf schwankenden Planken, im Heck des Kahns. Seine neuen Freunde müssen ihn wachrütteln. Gefahr? Wieso? Ach so. Und er herrscht den Wind an, das himmlische Kind. Bis die Jünger schweigen und ihn anstarren, den Schlaftrunkenen, den Windflüsterer. Warum fürchtet ihr euch, fragt Jesus? Weil die Stille so groß ist. Jetzt fürchten sie sich vor ihm.

Wir wissen nicht, ob Jesus schwimmen konnte. Ob er reiten konnte, übrigens auch nicht. Einmal nur hat er auf einem Esel gesessen, wird erzählt. Bei einer Art Happening, das zu einer Parodie eines Triumphzuges wurde, wie ihn die römischen Besatzer gerne veranstalten, um sich als Sieger zu feiern. Mit Pferden und Soldaten und schimmernden Helmen, roten Mänteln, Fanfarengeschmetter und so weiter. Das Volk am Straßenrand - mehr oder weniger freiwillig jubelnd. Die spinnen, die Römer, sagt man nur hinter vorgehaltener Hand. Schnell gilt man als Terrorist.

Aber dann kommt zum Passahfest dieser Rabbi und reitet auf einem jungen Esel in die Stadt. Die Füße schleifen fast auf dem Boden. Besonders würdevoll kann es nicht ausgesehen haben. Das Eselchen wirft den Kopf, es muss von zwei Männern festgehalten werden. Lachende Menschen, die theatralisch mit Palmwedeln winken. Andere skandieren Hosianna und lassen das „Reich Gottes“ hochleben. Solidarisieren, mitmarschieren, rufen ein paar. Wie gut es tut, sich über die Macht der Machthaber lustig zu machen. Sich nicht zu fürchten, wenigstens für einen kostbaren Moment.

Wir wissen nicht, ob Jesus schwimmen oder reiten konnte. Meistens ist er in Schrittgeschwindigkeit unterwegs. Ein umherziehender Aramäer. Heute hier, morgen dort. Wer sich ihm anschließt, ist in der Unsicherheit zuhause. In der Ohnmacht. Mal fremd, mal willkommen, aber immer auf Gastfreundschaft angewiesen. Zu bleiben ist nicht vorgesehen. Aber eins bleibt: Wo Liebe und Geistesgegenwart eine Chance haben, da wächst, was Jesus Christus Reich Gottes nennt. Wo auch immer. Und es bleibt die Frage: Wovor fürchtet ihr euch?

 

Es gilt das gesprochene Wort.

30.01.2020
Evamaria Bohle