Schwarzes Tier

Wort zum Tage
Schwarzes Tier
17.02.2016 - 06:23
11.01.2016
Pfarrerin Barbara Manterfeld-Wormit

Es taucht auf, wenn ich nicht da bin. Seit einer Woche ist es in unserer Wohnung. Jeder Versuch, ihm zu begegnen, es zu fassen, ist leider vergeblich.

 

„Das schwarze Tier war nachts bei mir, und du warst nicht da!“ Unsere Dreijährige sitzt neben mir am Frühstückstisch – mit einer Mischung aus Kummer und Vorwurf. Das schwarze Tier.

 

Ich weiß wenig aus meiner frühen Kindheit. Aber an die Monster kann ich mich noch erinnern, die sich nachts an meinem Bett zu schaffen machten. Dagegen half nur eine ausgeklügelte Zu-Bett-Geh-Taktik: Die Decke musste fest um mich gewickelt und flächendeckend umgeschlagen werden. Kein Körperteil bis auf den Kopf durfte mehr herausschauen. Und das Licht nebenan, das musste brennen bleiben, die ganze Nacht, dann bestand die Chance, dass alles gut ging. Irgendwann waren die Monster weg – genauso plötzlich wie sie gekommen waren.

 

Wenn ich ehrlich bin: Heute gibt es neue. Auch sie belästigen mich gerne in der Nacht. Sie machen mir Angst. Doch im Unterschied zu den Kleinen traue ich mich nicht, von ihnen zu erzählen. Ich versuche alleine damit fertig zu werden – mit mäßigem Erfolg.

 

Da lobe ich mir Martin Luther. Der fand offensichtlich nichts dabei, auch als erwachsener Mann ganz frei von seinen Ängsten zu erzählen, die ihn quälten und umtrieben nachts in seiner Mönchszelle. Das schwarze Tier – der Teufel – der Satan, der ihn versuchte, ihn davon abzubringen versuchte, dass Gott doch da ist und es gut mit ihm meint. Lieder hat Luther gedichtet, die in aller Offenheit erzählen von diesem schwarzen Tier, dem „altbösen Feind.“ Ein Tintenfass hat er nach ihm geworfen. Bis heute kann man den Fleck sehen auf der Wartburg und die Worte, die Luther daneben geschrieben hat: „Ich bin getauft!“ Das klingt wie ein Mantra, fühlt sich an wie die umgeschlagene Decke und das Licht , das damals in meiner Kinderzeit die ganze Nacht brannte. Ein rundum Schutz gegen alles Böse und Finstere.

 

Angst kommt von Enge. Das Gegenteil von Enge ist Offenheit und Weite. Die Evangelische Fastenaktion „Großes Herz – Sieben Wochen ohne Enge“ will mir Mut machen, Ängste offen auszusprechen. Die schwarzen Tiere, die mir die Luft zum Atmen nehmen, müssen nicht länger verschwiegen werden. Es soll uns Großen nicht peinlich sein, von ihnen zu erzählen. Also: Welches schwarze Tier verbirgt sich bei ihnen unter dem Sofa und raubt ihnen nachts den Schlaf? Bei Tageslicht betrachtet, sind diese Wesen meist gar nicht so schrecklich. Das schwarze Tier meiner Tochter ist übrigens seit gestern nicht mehr da. Ich habe es mit ins Büro genommen. Da hat es nun jede Nacht Gesellschaft vom Pförtner, der sich über die Gesellschaft freut. Das schwarze Tier ist nicht gefährlich. Es wollte einfach nicht alleine sein.

11.01.2016
Pfarrerin Barbara Manterfeld-Wormit