Von Mauern und Windmühlen

Wort zum Tage
Von Mauern und Windmühlen
09.07.2015 - 06:23
23.06.2015
Pastor Olav Metz

Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die andern Windmühlen, sagt eine chinesische Weisheit.

 

Der Wind der Veränderung hat viele Gesichter: Zum Beispiel das Gesicht einer technisierten Welt, die unübersichtlich geworden ist und deshalb vielen Angst macht. Das Gesicht fremder Menschen, die zu uns kommen, weil sie ein neues Zuhause suchen. Das Gesicht unserer Insel, die sich wandelt, manchmal so sehr, dass ich sie kaum wiedererkenne. Oder mein eigenes Gesicht, in dem sich für mich ganz persönlich zeigt, wie ich wachse und reife aber zugleich älter werde und loslassen muss.

 

Natürlich kann ich Mauern bauen und mich dagegen abschotten: Das Neue ablehnen, Fremdes nicht wollen und die Veränderungen um mich herum und bei mir selber ignorieren oder dagegen ankämpfen. Aber diese Mauern werden die Dinge nicht aufhalten. Und deshalb scheint es mir sehr viel sinnvoller und zukunftsträchtiger, angesichts der Veränderungen um mich herum und bei mir selber nicht Mauern hochzuziehen, sondern Windmühlen zu bauen.

 

Viele tun das: Zum Beispiel Menschen, die die weltweite Vernetzung nutzen, um auf die Gefahren mancher Netzwerke hinzuweisen. Kritische Journalisten und Whistleblower, Geheimdienstkritiker oder auch kritische Konsumenten sehen den Veränderungen offen ins Gesicht. Sie versuchen, ihren Teil zu tun. Und sie nutzen dabei die Kraft des technischen Wandels.

 

Oder die Menschen, die als Asylbewerber zu uns kommen: Natürlich sind sie hier nicht so zuhause wie wir es sind. Und doch werden wohl sie es sein, die maßgeblich für unsere Zukunft mit Sorge tragen werden. Denn aus eigner Kraft werden wir in Deutschland die Zukunft nicht mehr meistern können. Dazu werden uns irgendwann einfach die Leute fehlen.

 

Und die Veränderungen bei mir selbst: Dass mir manches nicht mehr so leicht von der Hand geht und mehr Zeit braucht, dass ich für manches, was ich bisher selber gemacht habe, jetzt Hilfe in Anspruch nehme, das zu akzeptieren fällt mir zuweilen schon schwer. Vielleicht hat aber auch dies einen guten Sinn. Zum Beispiel, wenn ich den Wind dieser Veränderung nutze, um loszulassen und wenn ich Zufriedenheit nicht mehr nur durch das Machen finde, sondern auch manchmal nur durch das Dasein oder durch die Hilfe anderer.

 

Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die andern Windmühlen. – Gut, wenn dieser Wind auf mehr Windmühlen als Mauern trifft – und etwas bewegt!

23.06.2015
Pastor Olav Metz