Auf die Knie gehen

Auf die Knie gehen
24.10.2020 - 06:20
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Es ist das immer gleiche Ritual. Vor einem Spiel wird die Nationalhymne der beiden Mannschaften gespielt oder auch gesungen. Und die Sportler*innen stehen voller Würde für ihre Fans und ihr Land hier gerade. Vor gut vier Jahren, am 1. September 2016 hat der Footballspieler Colin Kaepernick diesen Moment angehalten, ja vergrößert. Es ist das letzte Testspiel der San Francisco 49ers vor Beginn der Saison gegen die San Diego Chargers. Die Nationalhymne erklingt und Kaepernick geht auf die Knie. Um gegen Polizeigewalt gegen Schwarzamerikaner zu protestieren. Er kniet. Schlicht, klar, ohne Worte, ohne Lärm.

Die Stille, die entsteht, wenn ein Mensch sich in so einer Geste ausdrückt, berührt mich jedes Mal. Es öffnet sich ein großer Assoziationsraum.  Für das, was in diesem Land passiert, für das, was sich in der Hymne selbst feiert, kann ich nicht mehr gerade stehen. Das sagt der Sportler mit dieser Geste. Zugleich nimmt er eine Haltung der Wehrlosigkeit ein, der Demut. Er kniet vielleicht auch vor den vielen Opfern, die durch Polizeigewalt in die Knie gezwungen, gedemütigt und ermordet wurden.

In unserem Land ist so ein Kniefall auf immer mit der Geste des damaligen Bundekanzlers Willy Brandt verbunden. Am 7. Dezember 1970 legt er vor dem Ehrenmal für die Toten des Warschauer Ghettos einen Kranz nieder. Richtet die Kranzschleife, verharrt aber nicht wie üblich stehend davor, sondern sinkt auf die Knie und bleibt  so schweigend etwa eine halbe Minute  Er bekennt sich zu einer Schuld, an der er selber nicht zu tragen hat, weil er an den Verbrechen des Nationalsozialismus nicht beteiligt war. Und bittet um eine Vergebung, derer er selber nicht bedarf.  Er geht auf die Knie stellvertretend für andere und vor den Opfern. 30 Sekunden Ewigkeit.

Ein Kniefall ist eine gewaltfreie Geste, voller Würde und Schönheit. Vor wem und für wen gehe ich auf die Knie? Wofür kann und will ich nicht gerade stehen? Wem zeige ich meinen Respekt? 

Die Knie beugen, ist auch ein stummes Gebet. Wenn ich freiwillig auf die Knie gehe, zeige ich auch auf die andere Instanz, die in meinem Leben etwas zählt. IM Epheserbrief heißt es.

Ich beuge meine Knie vor der schöpferischen Kraft, die jeder Volk im Himmel und auf Erden benannt hat…Gott möge euch….durch seinen Geist in eurer innersten Überzeugung fest machen. …Ihr sollt in der Liebe verwurzelt bleiben und unerschütterlich an ihr festhalten. (Eph 3, 14-17 i.A.)