Ein Hund, der an einem Knochen nagt, und Glauben haben viel gemeinsam.
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Es gibt 150 Psalmen in der Bibel. Die schönste Gebetssammlung der Welt. Sie umfasst alle Gemütszustände, die uns Menschen möglich sind. Jubel, Ekstase, Dankbarkeit, Klage, Hilfeschreie, Agonie. Und das alles steht umklammert von zwei Worten. Das erste Wort in Psalm 1 heißt "Selig, glücklich", das letzte Wort der Psalmen ist ein "Halleluja".
Wie ein Jubelruf: Ich bin glücklich. Gottseidank habe ich meinen Weg mit Gott gefunden. Halleluja! Und zwischen diesen beiden "Selig" und "Halleluja" spielt sich ab, was wir Glauben nennen. Und für Glauben gibt es die verrücktesten Verben in diesen Gebeten. Zum Beispiel in Psalm 1:
Nachsinnen, Murmeln, die Weisungen Gottes verinnerlichen. Das hebräische Wort hagah will es aber viel direkter. "Wohl dem, der genüsslich nagt an der Weisung Gottes und wohlig knurrt bei Tag und Nacht", so müsste man übersetzen. Wie ein Hund, dem man einen Knochen gibt. Er nimmt ihn, zottelt irgendwohin, ein wenig abseits und macht sich an die Arbeit: konzentriert – es gibt nichts anderes mehr. Zügig – er will ja schnell was zu schmecken bekommen. Und dann hört man dieses leise Knurren, ein tiefes Summen, Stöhnen, Brummen….
Hagah klingt genau danach. Ich finde das herzerfrischend irdisch, erdig, kreatürlich. Und für Hundeliebhaber sicher noch vieles mehr. Das Köstlichste, wonach ich mich sehne, wonach ich hungere und dürste, was mir tiefste Lust verschafft. Weisungen Gottes durchkauen, verinnerlichen. Dranbleiben, fragen, anders denken.
Ich kaue den ersten Satz aus Psalm 1: "Selig die Frau, der Mann/, die nicht nach den Machenschaften der Mächtigen gehen/ nicht auf dem Weg der Gottlosen stehen/ noch zwischen Gewissenlosen sitzen."
Die Machtgierigen, die Schwätzer, die Gewissenlosen, die Kriegstreiber sind schnell benannt. Ihre Wege sind nicht meine. Aber wie geht es dann weiter? In unserem Land soll die stärkste Armee Europas entstehen. Auch wenn sie rein der Verteidigung unseres Landes, Europas und der Demokratie dienen soll. Es bereitet mir ein flaues Gefühl im Magen.
Durchkauen, dranbleiben, anders denken. Ich möchte anders denken und hoffen auf Menschen in Russland, die einmal genug haben vom Krieg. Ich möchte hoffen, dass sie sich nicht mit falschen Versprechungen, mit Geld und sonstigen Belohnungen kaufen lassen. Ich möchte sie nicht gleichsetzen mit ihrem obersten Kriegstreiber. "Selig die Frau, der Mann/, die nicht nach den Machenschaften der Mächtigen gehen."
Der Psalm macht Mut, sich gegen die Machenschaften der Mächtigen aufzulehnen, zumindest nicht mitzumachen. Selig, wer im Gottvertrauen die Kraft dazu findet. Seligkeit, Glück, das ist ein gutes Leben, ein Verantwortung übernehmendes Leben in dieser Welt, eine achtsame Praxis auf alle Geschöpfe hin. Ein Mensch wie ein Baum, sagt der Psalm:
"Selig die Frau, der Mann/, die nicht nach den Machenschaften der Mächtigen gehen/ nicht auf dem Weg der Gottlosen stehen/ noch zwischen Gewissenlosen sitzen/, sondern ihre Lust haben an der Weisung Gottes/, diese Weisung murmeln Tag und Nacht. / Wie Bäume werden sie sein - gepflanzt an Wasserläufen, / die ihre Frucht bringen zu ihrer Zeit und ihr Laub welkt nicht. / Was immer sie anfangen, es führt zum Ziel."
Nahe an der Quelle des Lebens bleiben. Das Glück der Gottesnähe – noch ein anderes Wort für Glauben. Und am Ende ein Halleluja!