Das Wort zum Sonntag: "Geschenkte Zeit unterm Apfelbaum"

Das Wort zum Sonntag: "Geschenkte Zeit unterm Apfelbaum"
Pastoralreferentin Verena M. Kitz
03.09.2011 - 22:10

Hier, dieser Apfelbaum, das war mein Trostort als Kind. Da bin ich draufgeklettert, wenn ich mich mit meinen Geschwistern gestritten hatte. Wenn ich sauer war oder traurig, oder einfach so, dann bin ich auf diesen Baum geklettert. Ich saß in den Zweigen, hab den Wind gespürt, hatte den dicken Stamm im Rücken als Halt. Ich konnte den Ameisen zugucken, die bis zu mir nach oben gekrabbelt kamen. Es war gut, da zu sein und zu spüren: Hier bin ich gut aufgehoben!

Heute klettere ich nicht mehr auf diesen Baum, wir sind ja beide älter geworden! Ich lege mich manchmal auf eine Liege in seinen Schatten, gucke in die Blätter oder in den Himmel. Oder ich lehne mich einfach nur an den Stamm, spüre, wie gut das tut! Ich sehe, dass er auch Narben hat: Wo die Rinde verletzt war oder wo er Äste hergeben musste. Aber trotzdem: Er wächst weiter, Jahr um Jahr. Und ich hoffe, das wird er auch weiter tun: Knospen und blühen, wachsen und reifen! Denn die Momente mit meinem Baum – die sind mir wirklich kostbar. Sie sind eine geschenkte Zeit, auch wenn es gar nicht immer lange ist. Ich denke da nicht über Weltbewegendes nach oder mache sonst etwas. Ich bin einfach nur da, traurig oder froh, so wie es mir gerade zumute ist.

Ich finde das ist eine richtige Gnade, ein Geschenk des Himmels: Dass ich einfach nur da sein darf. Das alles hier: Den Baum, die Sonne, den Wind - all das hab ich ja nicht gemacht, ich bekomme es einfach von oben geschenkt. Ich kann und muss nichts dafür tun, außer vielleicht mal ein bisschen Gartenarbeit. Aber eigentlich: Total gratis – sogar die Äpfel lässt mir der liebe Gott in den Schoß fallen! Wenn ich dann - nach der Viertel- oder halben Stunde – wieder in meinem Alltagstrott weitermache, dann bin ich manchmal noch weiter am Staunen. Ich habe nicht nur Zeit zum Ausruhen geschenkt bekommen, sondern ich habe auf einmal eine gute Idee für meine Arbeit. Oder ich bin irgendwie getröstet, auch wenn der Grund für meine Sorgen oder mein Traurigsein nicht einfach weg ist.

In diesen Momenten unter dem Apfelbaum, da erlebe ich: Die Natur ist wirklich Geschenk Gottes, Schöpfung. Genau das feiern die Kirchen an diesem Wochenende: den Tag der Schöpfung! Damit legen sie uns auch ans Herz: Geht gut und sorgsam um mit diesem großen Geschenk Gottes. So wie meine Oma mir das schon ganz früh beigebracht hat, wenn ich auf den Apfelbaum geklettert bin! Ich sollte es sorgsam und vorsichtig tun. Damit er uns lange erhalten bleibt.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie auch was von dieser Freude an der Natur, der Nähe zur Schöpfung spüren! Vielleicht finden Sie beim Spaziergehen einen Baum, der Ihnen ans Herz wächst, bei dem Sie einfach da sein können? Oder Sie genießen ganz bewusst den Blick auf die Geranien auf Ihrem Balkon? Oder vielleicht feiern Sie mit bei einem der Gottesdienste zum Tag der Schöpfung? Die sind nämlich auch ganz oft draußen in der Natur!

Ich wünsche Ihnen einen frohen Tag in der Schöpfung und einen gesegneten Sonntag!

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